Wie man zu der Flosse kommt

  • So, mein Flossenrot steht nun gut verstaut auf seinem Winterplatz, hoffe , daß im nächsten Jahr es munter weitergeht und nicht wieder 28 Jahre dauert, aber so gibt sich nun die Gelegenheit an einem verregneten Sonntag wie heute ein paar Dinge zu ordnen und zu überlegen wie man so an solche Autos kam. Wäre vielleicht ganz witzig zu erfahren wie es bei Euch war.


    Bei mir fing es damit an, daß vor 37 Jahren mein metallicgrüner, mit Vinyldach versehener Opel C-Rekord unter dem Lack und dem Vinyl nur noch aus Eisenoxid bestand und Ersatz notwendig war.

    Für 350 Mark wechselte der Rekord den Besitzer, später verbunden mit der Erfahrung, nie ein Auto mit Papieren und Nummernschilder zu verkaufen, denn nur zwei Stunden danach hatte der Käufer nichts Besseres zu tun , als meinen schönen Rekord in einen ebenso alten BMW 2002 zu versenken und eine Schaden von 5000 Mark zuungunsten meiner Versicherung zu verursachen. Macht Ärger. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


    Ins Auge gefallen war ein 190Dc, Baujahr 63, der friedlich in Hannover vor der TU stand.


    Nach kurzer Verhandlung kam das Auto mit zwei Jahren TÜV für 1100 Mark in meine Obhut und ich war dann zuerst ganz froh. Ein paar optische Blessuren, die waren als Student nicht so dramatisch, aber man meinte, ein solider Mercedes mit unverwüstlicher Mechanik und Rost als unbekanntes Phänomen liegt man ja richtig.


    Frisch ans Werk, den eierschalenfarbenen Lack geputzt, innen türkisgrüne Kunststoffausstattung mit Nackenrollen, Gurte waren nachgerüstet.


    Dann kam meine erste Erfahrung mit der servicefreundlichen Technik von Mercedes:


    „Ich geh mal kurz Ölwechsel machen“ sagte ich zu meinem Nachbarn, hatte einen Kanister Öl dabei, neuen Filter und eine kleine Schale, um den Hauptstromfilter auszuwaschen, Wanne zum Ablassen. Beim Rekord hatte es für den Ölwechsel 10 min gebraucht.

    Es war Januar, Schnee lag ein wenig, leichter Frost, was soll‘s. Auto auf der Straße, warmgefahren und kurz den Kantstein hinauf, so kam ich gut unters Auto.

    Ablassschraube raus, Öl hinaus, Zentralschraube vom Filtergehäuse entfernt, schnell das Gehäuse…. Moment mal, es plumpste hinunter und baumelte dann munter zwischen Spurstange und Achsschemel (den Hinweis:“ Rückwärtsgang einlegen, Handbremse lösen und Lenkung ganz nach links“ und vor allem „Fahrzeug eben abstellen“ kannte ich noch nicht). Also wieder herausgekrabbelt, Lenkung mal so und mal wieder so, bis ich nach einer halben Stunde und allmählich klammer werdenden Fingern den Topf heraushatte. So, jetzt aber schnell, Filter gewaschen, die neue Papierpatrone hinzu, O-Ring einlegen… O-Ring dreiviertel drin, plumps, wieder draußen. Das neue Ding hat doch deutlich mehr Spannung.

    Wieder eine halbe Stunde, wieder an der Spurstange vorbei, nochmal nachschauen (immer noch im Januar unter dem Auto); äh… O-Ring wieder draußen. Nochmal von vorn. Drei Versuche später: Jetzt sollte es passen. Alles zusammen, fünf Liter Öl hinein, ab ins Auto und starten. Mittlerweile war es dunkel. Vorglühen, Starter ziehen, Motor startet brav und mit einem zischenden Geräusch spritzen fünf Liter Öl auf die Straße. Panikhaft ins Haus zurück, Gottseidank Altbau mit durchgängig Ofenheizung, überall bei den Nachbarn Asche zusammengeklaubt und die Sauerei auf der Straße beseitigt, bevor sie den Gully erreichte.

    Wieder alles auseinander, noch eine zweite Taschenlampe geliehen, den alten O-Ring hinein, der vom Querschnitt eher den Namen Dreicksring verdiente, aber so ausgeschlabbert war, das er brav in der Nut blieb und auch noch dichtete. Das schwarze Öl vom Anfang wieder hinein, neues hatte ich nicht mehr. Fünf Stunden.


    Nächsten Tag in die Mercedes Niederlassung gefahren und es machen lassen, der Ölwechsel kostete tatsächlich 23 Mark inklusive Öl (Einbereich, 2,90 je Liter). War so auch als Student dann klar, wo ich die Ölwechsel in Zukunft machen würde.


    Nach dieser Einstiegserfahrung kamen weitere hinzu, mein Tank fasste nur 42 Liter, von unten war er so verrammelt, das glatt 1/3 Volumen fehlte, brachte gleich die Erkenntnis mit sich, wo die Entlüftungspumpe ist. Und dann war dann doch der Rost allgegenwärtig.

    Daher ein paar Nebenjobs forciert und mit 2000 Mark in einer Grundrestaurierung bei einem Lackierer und Karosseriebauer gestartet, mit entsprechendem Eigenanteil unterstützt.

    In dem Zusammenhang dann auch eine bessere Farbe gewählt, auch damals schon rot, noch aber ein etwas dezentes Bordeaux ( war das eine Mercedes Farbe ? Keine Ahnung)


    Ja, und dann lief die Flosse ganz brav, brauchte noch ne neue Batterie (88 Ah, haha, was heißt hier Frost) und war auch gut fürs Studium in Norwegen oder beliebt bei Hochzeiten.


    Einige Jahre später, ich war mittlerweile in München, tat der dunkelrote 190er zwar noch seinen Dienst, wurde aber immer anfälliger und taugte auch nicht mehr als Langstreckenfahrzeug. Im Winter 86 wurde es einige Zeit so kalt, daß trotz Winterdiesel ich das Auto vier Wochen lang in Pasing stehen hatte, weil er so zugesulzt war, daß an Anspringen und Laufen nicht zu denken war. Und Kollege Rost schaute auch wieder überall um die Ecke. Der gute alte OM 621 verschliss allmählich seine Nockenwellen, die Bremsen ließen auch nach und und und…

    Meine Möglichkeiten im näheren Umkreis um meine Wohnung etwas zum Schrauben zu haben waren auch sehr begrenzt, zumal ich nun beruflich recht eingespannt war und Zeit nebenher zur Mangelware wurde.


    Irgendwann fiel die Entscheidung die kleine Flosse in andere Hände zu geben, und tatsächlich fand sich auch schnell ein Käufer . Ob es dann wieder eine Flosse werden würde war fraglich, standen doch meine automobilen Präferenzen nun ganz anders… Zweiter Teil folgt

  • Was für ein genialer Bericht. Danke dafür! Freue mich schon auf die Fortsetzung!


    Gruß


    Ulli

    230 SL 10/63
    220 SE 07/64
    - irgendwas ist immer...
    ----------------------------------------------------------
    vdh-Regionaltreff Münster/Münsterland
    jeden 3. Mittwoch ab 19.30 Uhr im RoadStop,
    48157 Münster, Schiffahrter Damm 315


    www.pagodentreff.de

  • Moin,


    sehr schön. Nen 190Dc hatte ich mit Anfang 20 auch mal. Die Warzenblinker haben schon was....

    Ach, im Winter am Hang parken....


    Gruss

    Olof

  • So, ein paar ruhige Minuten gefunden, so ging es weiter:


    Oldtimer fand ich zu dem Zeitpunkt zwar auch schon immer gut, doch waren Autos damals man gerade zwanzig Jahre alt, und damit eigentlich nur alte Karren, nicht vergleichbar mit heute (ein einigermaßen gut gepflegter 2000er E46 328 z.B. fährt sich 2020 immer noch ganz flott und ist vom Erscheinungsbild bezüglich der Modernität etwas anderes als eine 1986 eine 65er Heckflosse)


    Ich erlebte mein ersten Wiesnjahr in München, damals gab es noch jede Menge Einladungen, ich wohnte direkt in der Nähe der Festwiese und als höflicher Mensch ging man natürlich überall hin, so daß ich nach einer Woche dringend etwas Erholung brauchte (Tags wurde übrigens immer wieder munter gearbeitet)

    So spazierte ich eines Abends die Ludwigstrasse hinunter und traf auf den damals etwas wilden Automarkt am Geschwister Schollplatz vor der LMU, als mir eben eine große Flosse unter die Augen kam, versehen mit einem Pappschild hinter dem weißen Lenkrad, nach einem neuen Besitzer verlangend . Die sollte es dann sein, obwohl ich wie gesagt nun an und für sich an eine andere Automarke gebunden war.


    Bei der ersten äußeren Besichtigung hatte ich geglaubt, eigentlich einen 220 Sb vor mir zu haben, es war aber ein 220b, der bis auf die langen Chromleisten auf den hinteren Kotflügeln und Türen optisch in einen „S“ verwandelt war. Nun ja, das störte mich nicht so sehr, ebenso wie die Gummileisten mit Stahlschutz dahinter, die die unteren Stoßstangen schützen sollte. Zum Abbauen waren dann auch zu viele Löcher eingebohrt.


    Nicht ins Bild passten dann auch

    -die rechteckigen Zusatzscheinwerfer (noch mehr Löcher);

    -die Pseudo-Weißwand Ringe, die am Außendurchmesser einen Zentimeter abstanden;

    -die sogar etwas schief aufgesetzte wagenlange und fürchterliche häßliche Zierleiste auf den Seiten;

    -die Schmutzfänger hinter den Rädern;

    -ein mit Dezifix beklebtes Armaturenbrett (Hilfe)

    -ein ebenso eingebastelte Heckscheibenjalousie

    -ein eingebastelter und brutal in die Polsterplatte verschraubter Drehzahlmesser , daneben ein Voltmeter, beide aus dem Kaufhaus und vor allem aber:


    Ford Metallic rot im Body und Ford-Gold im Greenhouse.


    Aber eine Überarbeitung hatte ich eh schon im Plan.


    Dann waren noch die Barockfelgen , die zwar auf einer Flosse an sich nichts zu suchen hatten, aber nun waren sie schon mal da, sogar acht Stück ( jawohl mit M und S – "Matsch und Schnee"- Winterreifen), sollten sie auch bleiben. Habe sie heute noch.


    Auf der Habenseite:


    Jede Menge Blecharbeiten gemacht, Himmel neu, Bremsen neu, Stoßdämpfer neu, Vorderachse überholt, Zylinderkopf komplett überholt, Ventile neu, Sitzringe neu , viele weiter Kleinigkeiten.


    Also, noch etwas verhandelt und für 6500 Mark ging der 220er zu mir.


    TÜV war neu, ASU natürlich auch (die brauchte man damals noch), also konnte ich erst einmal einfach mit dem Auto fahren.

    Innerhalb von München brauchte ich es aber nur wenig, ich wohnte mitten in der Stadt, ich hatte mir eine Tiefgarage gemietet, nur (J ) zwei U-Bahn-Stationen von meiner Wohnung entfernt, aber flott übers Land und in den Urlaub ging es auch so.

    Die zwei Punkt Gurte ersetzte ich gegen Automatik Dreipunkter, auch wenn nur suboptimal ohne Kopfstütze, aber als alter Rennsportler ist ein Auto ohne Gurte schon befremdlich. Ich weiß, daß es da unter Oldtimerfreunden andere Auffassungen gibt, aber was soll‘s.


    Irgendwann leckte der Kühler, aber gegen relativ wenig Geld wurde beim Kühler Schneider in der Landsberger Straße (gibt es heute noch) ein neues Netz eingelötet, ein neuer Auspuff mußte her, dann wurde auch im braven München ein Stern geklaut (aber ganz andere Erfahrung als in Hannover, wo die durchschnittliche Überlebenszeit des Sternes auf zwei Wochen herunterging, hob die Betriebskosten um zweimal 13,50 im Monat) .


    Munter ging es weiter, einige Urlaube im sonnigen Süden oder an die nicht minder entfernte Ostsee in Schleswig-Holstein folgten, mal wieder ein paar Hochzeitsfahrten ( bei einer deutsch-brasilianischen sogar mit Flaggen Standarten links und rechts an den Kotflügeln, war nett zu sehen, wie einem überall Platz gemacht wurde )

    Als Tipp übrigens : Blumengirlanden um das Greenhouse drum herum sehen sehr schön aus und versperren nicht so die Sicht wie ein Riesengesteck mitten auf der Haube. Und : Niemals Blüten oder ähnliches mit Cremes oder ähnlichem auf das Auto pappen, bei einem Bekannten wurde durch einfache Nivea-Creme als Kleber für Blümchen der ganze Lack ruiniert.


    Winter war auch kein Tabu, die M und S wühlten sich samt Ski und Rodel durch die bayerischen und österreichischen Alpen.


    Dadurch fühlte sich natürlich auch Kollegen Eisenoxid wieder wohl, ich hatte etwas Geld zusammengespart, kam vor lauter Arbeit kaum heraus und so begann ich im Herbst des folgenden Jahres dann aber mich mit einer grundlegenden Überarbeitung auseinanderzusetzen, nach dem Motto: nun aber richtig, ich suche mir einen anständige Oldtimerwerkstatt und lasse es da über den Winter machen.


    Und die Farbe war von vornherein klar.


    Folgt im dritten Teil.

  • Teil Drei


    Die Farbe war mir klar , als ich in dem hübschen Buch, „Mercedes Benz-Automobil: Vom 190SL zum 300SEL“ auf ein Bild von einem 56er 220SE Cabrio stieß, diese sollte, mußte, es sein .

    Ich suchte also nach einer fähigen Werkstatt und stieß durch Anzeige in der von mir eifrig gelesenen „Markt“ auf eine Firma im Münchener Westen, Name tut nichts zur Sache, gibt es auch nicht mehr und würde ich auch nicht mehr empfehlen, siehe unten. Hier wurden „Youngtiomer“, wie es damals meine Flosse noch war , aber auch „richtige“ Oldtimer wie ein 38er 327er BMW von Grund auf neu hergerichtet.

    Gemacht werden sollten die Türen und die hinteren Seitenteile mit neuen Teilesätzen, Radhäuser hinten erneuern, alle Schweißnähte schleifen und verzinnen.

    Heck richten, Karosserie komplett zerlegen, komplett entlacken, spachteln oder zinnen, grundieren, füllern und lackieren. Alles zusammen ca. 16000 DM., das war im Juni. Im November ging das Auto dann dahin. Im Januar kam die erste Nachforderung, weil nun Schweller, Einstiege, Radlauf vorn , Heckblech und Kofferraumboden dazukamen, Dichtungen , Kleinteile , also nochmal 11 TDM hinzu. Hm. Das Auto steht zerrupft da, also biss ich in den sauren Apfel.

    Bis zum Mai wurde es dann 32T DM. Uff.

    Juni : Abnahme: Lackschäden, Laufnasen, Türen paßten nicht, Zierleisten zerbeult, Dichtungen paßten nicht, Kofferraumdeckel schloss nicht, vordere Zierleisten an der Haube fehlten. Eieiei. Nachbesserung vereinbart nach viel Diskussion. Am nächsten weiß niemand davon. Sachverständigen angedroht. Termin vereinbart. Angedroht, das Auto abzuziehen zu einer anderen Werkstatt.

    Also : Neulackierung. Zierleisten neu: 2000 Euro. Wir einigen uns auf 50/50 . Mittlerweile Juli.

    Zwei Wochen später: Noch nichts passiert.

    Dann endlich: Fahrzeug wieder zerlegt, Scheiben draußen. Motor blieb aber drin, Motorraum war ganz gut geworden. Termine weiter zwischen Chef und dessen Frau (machte die Buchhaltung) hin und hergeschoben.

    August : Hurra, Auto ist fertig.

    Auf dem Nachhauseweg geht der Motor sang und klanglos aus. Schraube vom Unterbrecherkontakt abgefallen. Nun ja, das war reparabel.

    Und nach alldem freute ich mich über eine richtig super aussehende Flosse, nun mit vermeintlich solidem und dauerhaftem Blech.

    Ich ließ die Sitzpolster neu machen (nun wieder bei einem Superpolsterer in Sendling, gibt es aber auch nicht mehr), neues Holz für das Armaturenbrett, Polsterplatte fand ich auch (ohne die Löcher für die Zusatzinstrumente), und immer wieder entdeckte man auf irgendwelchen Märkten immer neu Kleinigkeiten.

    Fahren war angesagt, ich hatte nun eine Garage nur noch 10 min zu Fuß von meiner Haustür entfernt, Italien rauf und runter. Bemerkenswert: In Bologna, beim Valid Parking, stand ich auf dem Balkon meines Hotelzimmers und sah sorgenvoll zu , wie der Hotelangestellte verzweifelt versuchte, in meinem Auto den Rückwärtsgang zu finden, und immer wieder fünf zentimeterweise vorwärts in Richtung Mauer fuhr, bis ich schließlich herunterstürmte und für ihn den Job erledigte. Passierte mir übrigens Jahre später, als auch der Hotelfahrer bei meinem 530 mit SMG es partout nicht schaffte loszufahren.


    Dann wieder eine Hochzeit ( nun meine eigene !!) , nebenbei nicht zu vernachlässigende Dienste beim Umzug, immer wieder beeindruckend das Fassungsvermögen des Kofferraums.

    Technisch war jetzt tatsächlich alles ok, nur zu Mercedes fuhr ich nicht mehr (aus meinem schöne Ölwechsel für 23 Mark beim 190er wurden nun 150, da hier in München nun nicht das billige, sondern ein vergoldetes Öl hineingeschüttet wurde, das die Autos der neunziger Jahre vermeintlich verlangten .


    Und schließlich wurde das Auto zum Nebenauto, es kamen andere zum täglichen Gebrauch ins Haus. Als dann sich meine Tochter ankündigte beschloß ich erst einmal, den guten alten „Gottlieb“, so hieß er manchmal, wegzustellen.

    Nächstes Jahr hole ich dann wieder raus. Oder in zwei Jahren. Ah, das war gerade schlecht, mein Sohn war nun auch da, aber nächstes Jahr, und und … . So wurde er eine liebgewordene Kulisse unter dem Paleteau, aus dem Automobil wurde ein Autostabil.

    17 Jahre später erst einmal mit dem Hänger in eine andere Garage gestellt, die am Haus brauchte ich nun anderweitig. Und nochmal 10 Jahre gewartet. Dann aber….


    Mittlerweile geht es nun nicht darum, wie man zu einer Flosse kommt , sondern wie man bei einer bleibt. Wenn Ihr noch Lust habt, dann die Wiederauferstehung im letzten Teil.


    Liebe Grüße


    Uli

  • Damit nun der nächste, hoffentlich nicht letzter Teil, aber der, mit dem ich diese Schilderung beenden will:


    Die Zeit verging. Immer noch stand die rote Flosse unter dem Baumwoll-Pyjama in Ihrem gut durchlüfteten Garagenabteil.


    Jedes Jahr ein oder zweimal besuchte ich sie, stellte fest, das eben die dieser innen flauschige Pyjama eine hervorragende Kletterhilfe für unliebsame Nager war , die dann durch die einen Spalt geöffneten Seitenscheiben ins Innere hüpften. Dort sah es aber anscheinen etwas mager aus für sie, so daß ich gar keine Schäden entdecken konnte. Ihr Geschäft verrichteten sie brav auf der Hutablage, aber auch nur begrenzt, denn da, wo nichts reinkommt, kommt auch nichts raus. Lediglich unter dem Beifahrersitz fand ich ein paar herausgerissene Fasern, nicht viel, wahrscheinlich mit den Mitteln der sechziger Jahre derart behandelt, daß es den armen Mäuschen sofort den Magenverdrehte und in die ewigen Jagdgründe eingingen. Interessanterweise entdeckte ich auch nur ein paar Knöchelchen, die zusammengesetzt zwei Mäuseskelete ergaben, aber sonst nichts, keine Haut- oder Fellfetzten, alles weg.

    Mittlerweile war es 2019 geworden, als sich bei mir ein alter Kollege meldete, der zu Ehren unseres gemeinsamen ehemaligen Chefs eine inoffizielle „Paul-Rosche-Oldtimergedenkfahrt“ organsiert hatte und Teilnehmer zusammenrief. Damit war nun klar, daß der alte Gottlieb nun tatsächlich wieder raus mußte.

    Also fing es im September letzten Jahres an konkreter zu werden.


    Der erste Akt war das Auto aus der Garage zu bekommen. Es stand nun wieder 10 Jahre seit dem letzten Umzug auf de alten Uni-Royals, die immerhin auf drei Rädern noch ein halber barer Luftdruck aufwiesen.

    An diese drei Räder kam ich auch gut heran, um sie wieder mit einer Handpumpe auf 2 bar anzuheben.

    Hinten rechts war aber unzugänglich. Und der war komplett platt und machte es unmöglich, das Auto mit der Hand (oder in diesem Fall mit sechs Händen) hervorzuziehen.

    Dann also ein Zugfahrzeug davorgestellt und mit sachter Gewalt ( Seil an der Abschleppöse oder doch an dem Achsschemel festmachen-ach was, Öse muß reichen und reichte auch) herausgezogen.

    Reifen aufgepumpt (dauert lange mit einer Fahrrad-Standpumpe) und nun rollte das Auto auch schön.

    Die erste optische Inspektion war ganz vielversprechend, einige Rostmacken an der Regenrinne, am Lampentopf, etwas an der Heckscheibe. Lack glänzte schön

    Also erstmal die Mechanik angesehen. Tank war 1992 vollgetankt mit 65 l Super verbleit (Letzte Tankung 13.7.92 , 58 l für 90 D-Mark) . Da war anscheinend die Hälfte noch da.

    Mit dem Endoskop die Liner angeschaut, kein Rost, alles gut, hatte seinerzeit zwar Konservierungsöl (oder war es doch nur Öl ? weiß ich nicht mehr) hineingegeben, war aber nicht sicher, wo auch das in den Jahren hin gekrochen war.

    Durchdrehen per Hand ging auch gut, Elektrik durchgemessen, auch unauffällig. Kerzen ganz schön.

    Selbst das Öl war noch klar, kein Wasser drin. Trotzdem getauscht.

    Kühlwasser war zur Hälfte weg, einmal erneuert.

    Neue Batterie rein, elektrisch mal alles durchmessen, alles geht. Auch das nicht ganz stilechte Grundig-Radio aus den frühen Achtzigern, das ich aus meinem 190er mitgenommen hatte, plärrte brav wieder los.

    Kupplungspedal ging, Nehmerzylinder machte auch seinen Job, Kupplung selbst aber war fest.


    Mittlerweile hatte ich eine kleine Werkstatt bei mir um die Ecke aufgetan die auch in alten Autos machte, viel Amis , vor allem aber mit einer gewissen Liebe zum alten Blech ausgestattet.

    Also erst einmal das Auto auf einen Hänger geladen und zu eben jener Werkstatt gebracht.


    Dort einfach mal gestartet. Etwas Bremsenreiniger in die Solex hinein.

    Choke rein, Choke raus, wieder rein, munteres Durchdrehen, ein Knall, der Endtopf längs gespalten und jede Menge Auspuffinnereien in Rostform über den Hof verteilt und der Motor sprang nach all den Jahren einfach an. Fand ich schon gut. Gang rein, Kupplung getreten, voll auf der Bremse, gestartet, ein kleiner Knall und die Kupplung war wieder frei.


    Dann weiter. Benzin- und Bremsschläuche alle hart und porös, Bremszylinder hinten fest, alles noch Kleinkram. Auspuff wie gesagt der Länge nach offen ( alte Kesselformel : Würste platzen immer längs)

    Aber die Karosse. Zwar wurde bei der Restauration 1988 im oberen Bereich einiges gemacht, aber alles was unten war anscheinend nicht so erneuert wie es seinerzeit auf der Rechnung stand.

    Schwellerspitze komplett weg, Bananen, Querträger, Innenkotflügel ....

    Der Unterboden war noch immer zugekleistert mit dem Teroson meines Vorbesitzers aus den End-Siebzigern.

    Also zum Trockeneisstrahlen, und es wurde mehr und mehr, vor allem tatsächlich diese Frühreparaturen, drei Bleche übereingepunktet, damit das Wasser schön dazwischenkommen konnte, alle Abläufe (es gibt viele) zugekleistert und verschlossen.

    Ich war schon hart an der Grenze zu entscheiden, ob das ganze noch lohnt. Finanziell sicher nicht, der Gegenwert einer Flossenlimousine und dann noch eines harmlosen 220b ist nicht vergleichbar mit einem Coupe oder gar einer Pagode, eines E9 oder was weiß ich. Aber Emotionen steckten ja schon drin, schließlich hatte ich das Auto so lange, und dann sang- und klanglos als Teile Spender abgeben? Nein!


    Also lautete der Auftrag: Auto fertigmachen, TÜV-fähig und so, daß er noch einige Jahre ( Jahrzehnte ?) im sorgfältigen Gebrauch überleben kann.

    Der Trockeneisstrahler hatte auch einen netten und vor allem fähigen Spengler an der Hand, der dann das Auto von vorne nach hinten durchging (hinten war gottseidank weniger los).

    Das Ganze zog sich dann dahin bis in das Frühjahr, die Gedenkfahrt hatte ich dann nur als Beifahrer mitgemacht.

    Manche Bleche neu besorgt, viele nachgefertigt (konnte der Mann richtig gut). Manche auch nur pragmatisch geflickt (Durchrostung in der Scheinwerferaufnahme großzügig ausgeschnitten und mit einer Art Topfflicken verschlossen).

    Die kleinen Sachen außen, die Lackarbeiten verursacht hätten, erst einmal gelassen.

    Schließlich wieder stilecht mit einem 75er F150 auf dem Hänger zurück.


    Nun der Rest, Auspuff neu (Nachbau aus Italien), eine fehlende Büchse unten am Schaltgestänge ausgebessert, Bremszylinder hinten, Schläuche , etwas Elektrik.

    TÜV- und H-Gutachten. Hurra

    Die Zulassung in Corona Zeiten gestaltete sich aber schwierig, ich war aber an einen sehr guten Zulassungsdienst geraten. Die Zulassungsstelle murrte erst noch , im alten Papp Brief gab es natürlich keine Angabe zu Länge / Breite / Höhe, das wollten die nun haben, und zwar nicht einfach aus dem Fahrzeugspecblatt, sondern über ein Gutachten ( Im H-Gutachten und beim TÜV würde das natürlich nicht geprüft) Also noch mal bei der Dekra nachgeordert. Dann ging es.


    Schilder dran und erste Ausfahrt. Auto geht nach drei km aus. Dann wieder an, wieder aus. Kraftstofffilter zu. Neuer Filter. Hurra, jetzt läufts. Fast.

    Bis das Lenkradschloß auseinanderfiel - erneuert


    Die weiteren Nachwehen waren dann folgende:

    Reifen neu (die alten war noch ok für den TÜV(!), aber komplett eckig ndu steinhart)

    Lüftung demontiert und gereinigt

    Kunststoffbuchsen an der Schaltung im Lenkrad neu (Auto hupte beim Schalten)

    Lenkungslager oben neu

    Heizung stillgelegt (leckte nach innen)

    Kraftstoffpumpe neu (Membran gerissen)

    Tank aufgemacht, inspiziert gereinigt, Intankfilter neu, Tankgeber gereinigt und gangbar gemacht.

    Diverse Experimente mit Größe, Anzahl und Position des Kraftstofffilters, immer noch nicht ganz glücklich

    Tankentlüftung neu (damit kein Benzingeruch mehr im Auto)

    Kühlwasserschläuche neu (sahen alle etwas schwanger aus)

    Neue Spurstangen (Hurra, ich komme mir nun nicht wieder vor wie in einem Film aus den Fünfzigern)

    Und natürlich diverse Ölwechsel, Abschmieren etc.


    Vorsichtig kam ich dann auf 1500 km dieses Jahr, diverse Ausfahrten (auch unsere Gedenkfahrt), und nun wieder eingewintert (hoffentlich ohne Mäuse) und freue mich aufs nächste Jahr (auch da gibt es noch einiges zu tun, habe schon einige Hausaufgaben auf der Liste)

    Damit Schluss an dieser Stelle, von „wie komme ich zur Flosse“ zu „wie bleibe ich bei der Flosse“, und das hoffentlich auch für die nächsten Jahre.

  • ... "Würste platzen immer längs" ... ich schmeiß' mich weg ;) ... klasse Bericht; jeder der mal ein Autoprojekt gemacht hat, kann Dir genau nachfühlen. Viel Spaß damit!

    Thomas

  • Hmmm, nur mal laut gedacht....


    Nocken-Paule als ehemaliger Chef?

    Ok, der W 111 war ne Erblast. Dann aber R129 und ein F150? Und nix vom Brötchengeber in der Garage? 8o

    Gruß


    Uli aus S


    Übersteuern ist, wenn der Beifahrer Angst hat.

    Untersteuern ist, wenn ich Angst habe.

    - Walter Röhrl -

  • Hmmm, nur mal laut gedacht....


    Nocken-Paule als ehemaliger Chef?

    Ok, der W 111 war ne Erblast. Dann aber R129 und ein F150? Und nix vom Brötchengeber in der Garage? 8o

    Doch, doch , keine Bange, aber ich denke, die haben in dem Forum nicht so viel zu suchen 😁

    Gruß Uli

    Uli aus München, 220b, BJ.65

  • Hallo Uli,

    ein sehr ausführlicher Bericht das muss in die Flosskeln.

    Was mir aber aufgefallen ist das Hufeisen am Kühlergrill müsste das nicht gedreht werden so dass das Glück nicht herausfällt oder täusche ich mich da.


    Flossige Grüße Alex

    Fuhrpark: W110 200er Bj.67, 2 Golf 1 Cabrio Bj.90 jetzt mit H u.Bj.91, Polo Bj.91

  • Hallo Alex,

    Besten Dank.

    Du kannst Dir vorstellen, wie oft ich dazu Kommentare bekam ( " Do foid jo des Massl ausher "), das Hufeisen war so drauf , als ich das Auto kaufte, die Schrauben so fest ( korrosionsgesichert 😁 ), daß ich Angst bekam den Grill zu beschädigen , das ich es bis heute nicht verändert habe. Vielleicht geht ich noch mal dran und trenne oder bohre es auf, aber eigentlich bin ich ganz glücklich damit gefahren, scheint doch ein gutes Omen zu sein.

    Gruß Uli

    Uli aus München, 220b, BJ.65