Evolutionsgewinner sind in jedem Fall die Angepassten. Doch manche Anpassung kann sich auch als Fehlanpassung herausstellen. Das zeigt sich nicht zuletzt bei der Entscheidung für einen Neuwagen.
Evolutionsgewinner sind in jedem Fall die Angepassten. Anpassung ist, was Überleben und Fortpflanzungserfolg angeht, gleichsam der evolutionäre Basisbegriff. Ob als morphologische Besonderheit oder als Verhaltensweise – stets entscheidet sich im Passungsverhältnis mit der Umwelt, ob jemand die Nase vorn behält oder abgehängt wird. Der Witz ist freilich, dass Evolution nicht zielgerichtet verläuft, nicht auf bestimmte, absehbare Zwecke gerichtet ist, sondern bis zum Ende der Welt ein offenes Spiel bleibt, bei dem sich – im Prinzip wie bei „Mensch ärgere ich nicht“ – manche Anpassung über Nacht als Fehlanpassung herausstellen kann.
Der Anpassungsbegriff ist also im Kern tautologisch; er besagt, dass sich durchsetzt, was sich durchsetzt. Mit anderen Worten: Ein schreiend adaptives Merkmal von heute kann uns schon morgen alles vermasseln (mehr dazu bei Darwin, in der Paläontologie der Dinos sowie im Prosa-Debüt „Wie man es vermasselt“ des Hiphop-Musikers George Watsky). Zumal in unvorhersehbaren, wechselnden Umwelten, in denen wir leben, zahlt es sich aus, bei sich selbst zu bleiben, „sein eigener Eigner“ zu sein, wie Max Stirner, der Philosoph der Egozentrik, das seinerzeit so schön formulierte.
Sonst könnte es sein, dass man sein Auto um eines Neuwagens willen verkauft, nur weil alle ihre Autos um eines Neuwagens willen verkaufen – um dann wo zu landen? Richtig: im Fahrverbot. Im Augenblick muss ja jeder Kraftfahrer damit rechnen, emissionshalber von jetzt auf gleich aus dem Verkehr gezogen zu werden. Niemand kann, zumal nach dem Affen-Desaster, sicher sein, dass nicht auch ihn, ob Diesel oder Benziner, in Bälde ein gerichtlich verfügtes innerstädtisches Fahrverbot trifft, und zwar gerade dann, wenn man sich beim Autokauf stets nach dem Angesagten gerichtet hat und in seiner persönlichen Mobilitätsgeschichte also nie ein anderes als eines von jenen Autos erworben hat, welche heute das konformistische Design unserer Lebenswelt prägen: eins von den zum Verwechseln ähnlich gestalteten, jede eigensinnige Eleganz hinter sich lassenden elektronischen Funktionsgehäusen auf vier Rädern.
All diese angepassten Posing-Karren sind nun ihrer Schadstoffe wegen Anwärter fürs Abstellgleis. Und während in den Garagen der Neuwagenbesitzer die Einsicht einer gigantischen Fehlanpassung um sich greift, schlägt die Stunde der Oldtimer. Denn versehen mit dem H-Kennzeichen (H wie Historie), firmiert jedes Auto, das älter als dreißig Jahre ist, gesetzlich „als kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut“ und genießt als solches in allen Umweltzonen freie Fahrt, ganz ohne das grüne Plakettengedöns.
Nie war er innerstädtisch so wertvoll wie heute, der Oldtimer. Sollten es ausgerechnet die alten, eleganten Dreckschleudern sein, die im urbanen Umweltregime der Zukunft eine ökologische Nische finden, gleichsam Stoßstange an Stoßstange mit Elektroautos und anderen sauberen Hässlichkeiten? Das wäre fürwahr ein evolutionsgeschichtlicher Treppenwitz, aber genau so funktioniert sie eben, die Evolution: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.