W111 beledern

  • Nabend


    Auf die Gefahr hin, dass das ein versierter Sattler mitliest und Magenkrämpfe bekommt, will ich hier trotzdem Einblicke in mein derzeitiges Winterprojekt geben: der teilweisen Neubelederung meines W111Coupés.


    Warum neu beledern? Bekanntlich ist nichts schöner und edler als altes, knautschiges Leder mit charmanter Patina. Sehe ich grundsätzlich auch so, aber ...

    Das Leder meines 61er 220SEs wurde 38 Jahre lang im inneren der draussen unter eine Plane abgestellten Karosse zwischen -20° bis +60° gefrostet oder gegart. Ich habe versucht, es zu retten, mit Ledersoftener liebevoll besprayt, mit Sattelfett so geknetet, dass die störrischsten Gäule weich geworden wären, es schliesslich noch in der Farbe aller Hoffnung grün gefärbt. Es half alles nichts.

    Die Farbe hält nur bedingt, unsanfte Berührungen hinterlassen Kratzer, bei Hitze beginnt alles zu kleben, was sicher auch Fehlern bei der Vorbereitung der Lederlackierung zuzuschreiben ist, siehe fetten versus färben, aber mei, was hätt ich machen sollen? Gleich entsorgen? Der Versuch war es mir wert.


    Nun aber mochte ich es nicht mehr sehen. Und von der Hutablage her - die musste ich bereits damals neu machen, da unrettbar verrottet, hatte ich noch Leder und die Erinnerung, dass das eigentlich eine schöne Arbeit ist. Um es gleich vorweg zu nehmen: An die Sitze würde ich mich niemals trauen, die habe ich schon damals nach ersten kläglichen Rettungsversuchen einem Profi gegeben, der es schaffte, viel alte Substanz zu retten, bei brauchbarem Ergebnis. Aber Türen, Taschen, Armaturenbrett, das sollte sich doch machen lassen.


    Also 1.5 Rindviecherhüllen gekauft, diesmal das frisches Leder zum Färben geben, welches, siehe da, die Farbe dankbar annimmt und auch bei starker mechanischer Einwirkung hält und nicht abfärbt. Übrigens: Das derart und sogenannte kopfgefärbte Leder entspricht durchaus dem damaligen originalen Prozedere. Die Rückseite der originalen Ausstattungen ist ebenfalls naturfarben.


    Begonnen habe ich mit den einfachsten Formen

    - Türpappen vorn

    - Türpappen hinten, oberer Teil

    Das ist lediglich Bastelarbeit: Abziehen, säubern, zuschneiden, neu befilzen, kleben.


    Etwas tricky hingegen bereits die gewölbten unteren Teile der hinteren Verkleidung. Hier half mir der Tipp des Sattlers, bei dem ich die Häute erstand: Leder von der offenen Rückseite her gut befeuchten und in Form ziehen. Klingt evtl. seltsam, aber man kann das Material auf diese Weise fast wie Pizzateig ziehen. Auf diese Weise kann man mit etwas Geduld auch geschwungene Formen mit dem Leder ummanteln und bekommt mit der Zeit den Faltenwurf weg. Ich habe das Leder erst sanft in Form gebracht, immer wieder befeuchtet, mit Klammern, oder da, wo später unsichtbar auch mit Tacker fixiert und weiter gespannt, bis ich die gewünschte Form hatte. Dann trocknen lassen und dann kleben.


    Schwierigstes Kapitel, das ich ohne Hilfe nicht hätte bewerkstelligen können: die Armlehnen mit den Kedern. Hier braucht man nebst einer alten, robusten Nähmaschine auch gewisse Nähfertigkeiten, sonst bekommt man die verschiedenen Häute nicht zusammen mit den Kedern, welche man ebenfalls selbst anfertigen muss vernäht. Es müssen an der Verbindungsstelle insgesamt vier Lagen Rinderhaut zusammengenäht werden. mein Dank gilt hier Winfried, Nähmaschinen-Queen des Winters 2021/22!


    Apropos Keder: recht einfach herzustellen sind die dicken Windfang-Keder der A- und B-Säulen. Will man es ganz orchinool, muss auch hier der Optik halber genäht werden. Da die Naht hier aber keine zwingende Stabilitätsfunktion hat und zudem unsichtbar verschwindet, kann man auch einfach einen Lederstreifen um eine 10mm Mossgummirundschnur legen und verkleben.


    Soweit mal der Stand. Ich hoffe, es geht so unproblematisch weiter, wie ich momentan hoffnungsvoll glaube. Ich werde weiter berichten. Anbei noch etwas Fotomaterial.


    • Official Post

    Bekanntlich ist nichts schöner und edler als altes, knautschiges Leder mit charmanter Patina. Sehe ich grundsätzlich auch so, aber ...

    Das Leder meines 61er 220SEs aber wurde 38 Jahre lang im inneren der draussen unter eine Plane abgestellten Karosse zwischen -20° bis +60° gefrostet oder gegart. Ich habe versucht, es zu retten, mit Ledersoftener liebevoll besprayt, mit Sattelfett so geknetet, dass es die störrischsten Gäule weich geworden wären, es schliesslich noch in der Farbe aller Hoffnung grün gefärbt. Es half alles nichts.

    Das hört sich nach alter Haut an...*spiegelzuhäng* :D

    Gruß

    stefan


    An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.(Erich Kästner)

  • Nabend Hagen


    Davon habe ich gehört. Bisher habe ich mich noch nicht intensiv mit neuen Sitzbezügen beschäftigt, da meine noch gehen. Hinzu kommt, dass es viele Bilder im Netz von neu gemachten Ausstattungen gibt, die mich eher abschrecken. Nicht, dass das, was ich da hinledere unbedingt besser wird, aber gerade bei den Sitzen habe ich von überwulstigem Breitgepfeife bzw. seltsamen Abständen und völlig unpassender Narbung schon alles Unmögliche gesehen. Ich müsste sowas in natura sehen und auch anfassen, glaub ich.

    Weisst du gute Adressen?

  • stimmt, von gahh hab ich gelesen und Gutes gehört.

    Aber hier beginnt bereits mein Problem: ich hab keine Ahnung was 244 green genau heisst. zudem brauche ich Sitze mit 5 Pfeifen weil frühe Serie. Und da ich nur pfeifenmässiges Englisch kann, hab ich ausgeprägte german angst, da was Falsches zu bestellen.

    Ich ledere jetzt mal die Seiten zu Ende und lass das mit den Sitzen mal setzen.

    Dennoch danke für den Hinweis! Das ist in jedem Fall mal ein erster Anhaltspunkt.

  • Also 1.5 Rindviecherhüllen gekauft, diesmal das frisches Leder zum Färben geben, welches, siehe da, die Farbe dankbar annimmt und auch bei starker mechanischer Einwirkung hält und nicht abfärbt. Übrigens: Das derart und sogenannte kopfgefärbte Leder entspricht durchaus dem damaligen originalen Prozedere. Die Rückseite der originalen Ausstattungen ist ebenfalls naturfarben.


    Hallo Paul,


    Du schreibst, dass Du Leder zum Färben gegeben hast. Danach war es auf einer Seite gefärbt und die Rückseite war naturfarben. Also wie das originale "kopfgefärbte" Leder?

    Wo hast Du das denn machen lassen?


    Grüße ...

    Marjan

    • Official Post

    Hallo Paul


    Whow, Du beeindruckst mich sehr mit Deinen Ledereien. Meine Erfahrungen basieren hauptsächlich auf der Verarbeitung von Kunstleder. Den Test mit dem Befeuchten des Leders haben wir zusammen probiert und ich muss sagen, der Vergleich mit dem Pizzateig stimmt. Was ich bei unserem Nähtag auch gelernt habe, meine alte Pfaff hat die vier Lagen Deines Leders mühelos verarbeitet. Es ist sogar so, dass der Vorwärtstransport präziser ist, da das echte Leder nicht so klebt.


    Ich muss zugeben, erst hatte ich Bedenken wegen dem neuen Leser, welches dann eingefärbt wurde. Aber das Material ist sehr robust und die Oberfläche ist abrieb-/kratzfest. Die Farbe scheint sehr tief einzudringen, denn auch beim befeuchten und dehnen konnte man keine Risse in der Oberfläche sehen.


    Schade, dass wir 300km voneinander entfernt wohnen, ich hätte gerne noch ein bisschen länger mitgemacht.


    Mach weiter so, dass riecht schon wieder mal nach einem tollen Flosskel Beitrag.

  • Hallo Paul


    Schade, dass wir 300km voneinander entfernt wohnen, ich hätte gerne noch ein bisschen länger mitgemacht.


    Mach weiter so, dass riecht schon wieder mal nach einem tollen Flosskel Beitrag.

    Also, ich war schon sehr froh, dass du überhaupt mitgemacht hast! Aber zu zweit, sobald man etwas eingearbeitet ist, jeder seinen Teil macht (und ich nicht nur wie der Schneiderlehrling blöd rumstehe) hätte man die ganze Arbeit in drei Tagen erledigt. So arbeite ich immer nach Feierabend 1-2 Stunden, manchmal ziehe ich nur Abschnitte in Form, fixiere und warte. Aber da der Motor eh in Revision ist und das sicher noch dauert, hab ich es ja nicht eilig.


    Sollte das Ganze am Ende so werden, dass ich wirklich zufrieden bin und dazu stehen kann, dann gibt es gerne einen Beitrag für die Flosskeln, wenn das gewünscht wird.

    • Official Post

    Wer übrigens Ambitionen hat sich mit der Ledernäherei zu beschäftigen, der besorge sich eine alte Pfaff tipmatic 1013, 1015 oder 1019. Es reicht bereits die 1013. Die Kosten in der Bucht liegen bei 150,- bis 200,- €. Dafür bekommt man eine neue Aldi Maschine mit 100 Programmen, aber die fällt nach ein paar Stichen auseinander. Kommt übrigens nicht auf die Idee, die gute Nähmaschine Euerer Partnerin oder Eueres Partners zu verwenden. Da sind schnell mal 1.000,- € geschrottet. Die von mir genutzte Maschine ist robust, es gibt bezahlbare Teile und auch Reparaturwerkstätten. Meine Kenntnisse habe ich (Ihre werdet es nicht glauben) in einem Näh-Forum gemacht, in dem ich meine Vorhaben beschrieben habe. Viele freundliche Damen nahmen mich unter ihre Fittiche und haben mir u.a. genau diese Maschine empfohlen. Von meinen ersten Ergebnissen waren die Damen übrigens sehr beeindruckt. Und dann gibt es auch noch youtube. Unter dem Begriff seat upholstery findet man eine Menge Videos.

    • Official Post

    Und da ich nur pfeifenmässiges Englisch kann, hab ich ausgeprägte german angst, da was Falsches zu bestellen.

    Ich ledere jetzt mal die Seiten zu Ende und lass das mit den Sitzen mal setzen.

    Paul Heinz Erhardt ;D

  • Moin Paul,


    das sieht ja super aus und schön traust Du dich da nun auch da ran. Ich finde ja die Vielfältigkeit des Hobbys von Metall - Mechanik - Elektrik - Holt und Leder - Bakelit und ko auch sehr befriedigend.


    Das beziehn der Sitze finde ich überschaubar, nachdem ich die meisten Latex-Formkissen bei mir im Coupe mal geweselt hatte. Wenn ich das so sehe bei dir, bekomme ich direkt Lust mein altes "rotes Leder im Coupe" Projekt mal fertig zu machen. Letzter Punkt vor dem beziehen wäre noch die neue Leinen-Rückseite bei den Pfeifen. Da könnten wir ja mal nen gemütlichen Abend auf dem Sofa machen und bei Eierpunsch gemütlich die Nadel schwingen. Dann kann ich dir auch mal meinen Neuen im Fuhrpark zeigen, der mir zugeflogen ist...


    Gruss Olof

  • Nabend Olof

    Ja, das ist mal etwas ganz anderes als das übliche Geschraube. Macht richtig Laune.

    Statt Eierpunsch wäre mir skandinavisches Motoröl zwar lieber (siehe Motorölfred), aber sonst gern.

    Das Beziehen der Sitze würde mir übrigens weniger Sorge machen, als der Bezug selbiger ohne handfestes Farb- und Materialmuster. Hab wenig Lust, für mehrere Tausend Euro Gestühlhüllen zu bestellen und dann etwas vier- statt fünffach Gepfoffenes in nur ungefähr dem selben Grün zu bekommen, was dann aufgrund transatlantischer Kontinentalverschiebung in Kommunikation und Versand eine äusserst mühsame Rückabwicklung zur Folge hätte. Aber ich muss diesen Schritt irgendwann machen,


    Heute ging es weiter und zur Hebung der winterlichen Laune habe ich mal fast fertige Teile zusammengelegt. Ist ein bisschen wie Chrom zur Probe an eine frisch lackierte Karosse zu halten.


  • Hallo Paul,


    Das ergebnis ueberzeugt! Es ist einfach schoen etwas selber zu machen, vor allem wenn es dann auch klappt. da hat mann dann immr mehr freude davon.


    Nur, auf deine H2O Flasche fehlt die Gefahrstoffkennzeichnung :D


    GHS-pictogram-skull.svg


    Mach so weiter, Pfiffige gruesse Mathieu

    Freude am fahren - Mercedes Benz

  • Hallo Paul,


    sehr schöne Arbeit!

    Ich habe meine komplette Ausstattung ebenfalls in Eigenleistung neu gemacht und weiß wie viel Arbeit und Spaß man damit hat. Ich habe dafür einen kompletten Ledersatz von der Fa. Lederkonzepte Kaai & Bosch gekauft. Alle Teile sind passgenau vorgeschnitten. Die Bezüge werden mit original Prägung nach Vorlage der alten passgenau genäht. Hat alles bis auf die Sitzlehnen der Vordersitze super funktioniert. Diese Sitzlehnen sind knifflig und ich musste mir hier Hilfe von einem Autosattler holen.


    Achtung bei den vorderen Türpappen. Die müssen unten und vorne in die Chromschienen. ich musste diese Stellen wieder auseinander nehmen weil ich alle Lederschichten von der Türpappe und der Ablage einfach umgeschlagen und verklebt hatte. Damit waren die Pappen zu dick für in die Chromschienen. Im original wurde das Leder der Türpappe bündig abgeschnitten und nur das Leder der Ablage umgeschlagen und das Trägermaterial noch dünner geschliffen. Man lernt nie aus ;)


    Viel Erfolg bei der Suche nach Sitzbezügen und weiterhin viel Spaß.


    Gruß Sven

  • Moin Sven


    Danke.

    Freut und ermuntert mich, wenn andere es auch erfolgreich durchgezogen haben. Ja, es macht wirklich Spass und es ist einiges an Arbeit. Mir graust es aber am meisten vor dem Aus- und Wiedereinbau des Armaturenbretts (das ich erst vor wenigen Jahren eingebaut hatte und die Verrenkungen noch in Erinnerung habe).


    Mit der Dicke der Pappen und den Chromschienen sprichst du etwas Wahres an. Das Problem hatte ich, als ich nur schon damals beim Zusammenbau des Autos neue Hartfaserplatten mit einer frischen Lage Filz unter das alte, dünne Leder montiert hatte. Prompt passte das nicht mehr in die Schienen. Ich habe dann mit einer Presse den vorderen und unteren Rand der Pappe etwas "nachverdichtet", was ich wohl mit den neuen Leder auch werde tun müssen. Von Winfried habe ich noch gelernt, dass man die umgeschlagenen Lederpartien auf den Rückseiten (einmal umschlagen muss man ja auch hier, wie du auch schreibst), mit dem Bügeleisen glätten und verdichten kann. Unbedingt Backpapier zwischen Leder und Bügeleisen halten!

    Ich habe zudem, wie du ebenfalls erwähnst, das Leder der Türpappe auf Länge der Taschen unten bündig abgeschnitten. Man erkennt es auf dem Foto leider kaum. Möglicherweise aber muss ich auch noch einen schmalen Streifen Filz ganz unten ausschneiden.

  • Hallo Paul,


    das Leder mit einer scharfen Klinge (neue Teppichmesserklinge) am Rand dünner machen. Sattler haben dafür eine Maschine; habe aber vergessen wie die genannt wird. Mit dem Bügeleisen (und auch mit Wasser) veränderst Du die Narbung.


    Viele Grüße,

    Hagen

    .

  • Hallo Hagen


    meinst du Leder „spalten“? Dafür gibt es extra Maschinen bei den Sattlern. Eigentlich verwendet man bei den Verkleidungen im KFZ gespaltenes Leder, weil dünner und dadurch besser formbar.
    Leider hätten die hier in meiner Umgebung nur eine maximale Breite von 30cm spalten können, was mir nix nützt. Das erschwert meine Arbeit nun stellenweise.

    Aber man kann das Leder, da es sich ja nur um ganz schmale Stellen handelt, wo ich Material abtragen muss, auch etwas schleifen und dann pressen.

    Bügeln würde ich nur die später unsichtbaren Rückseiten, um hier insg noch etwas die Dicke zu reduzieren.

    Derzeit „ruht“ die Kante, die später in die Schiene muss unter Druck von Holzleisten und Schraubzwingen, um sich schon mal etwas zu setzen.

    • Official Post

    Wenn Du das Leder bügelst, wird es an dieser Stelle steinhart, verschrumpelt und geht nach dem Abkühlen nicht in die Ursprungsform zurück. Falls wirklich nötig, von hinten mit dem Schwingschliefer und 80er Körnung dünnieren.

  • meinst du Leder „spalten“? Dafür gibt es extra Maschinen bei den Sattlern.

    Hallo Paul,


    ja, richtig, das wahr wohl der Begriff.


    Aber das muss ja nicht über die ganze Fläche gemacht werden; ich habe das nur an den Rändern gemacht wo dann z.B. die belederten Teile in Zierleisten geschoben werden. Schön gleichmäßig langsam zum Rand dünner machen.


    An manchen Teilen habe ich statt das Leder herumzuziehen kleine Deckel von Hand aufgenäht. Damit bleibt dann außen schön die Struktur erhalten. Z.B. die untere Verkleidung am Armaturenbrett am Handschuhkastendeckel. Die Nadellöcher habe ich mit einem 0.8mm Bohrer und einer Elektronik Lochrasterplatine als Schablone vorgebohrt; das gibt schön regelmäßige Nähte wie mit der Maschine und schont die Finger.


    Viele Grüße,

    Hagen

    .