Recherchen zu meinem W108

  • Einen schönen Abend,


    nachdem ich ja nun so spontan zu meinem 280SE gekommen bin, habe ich natürlich angefangen zu forschen. Die Datenkarte konnte ich schnell zugeschickt bekommen. Auch konnte ich mit dem vorletzten Besitzer, welcher der zweite Halter war, länger telefonieren.


    Folgende Details aus dem bisherigen Leben des Wagens habe ich herausgefunden:


    Bestellt wurde der Wagen 1968 in Berlin als W108 280SE. Auslieferungsort wird hier lt. schwer leserlicher Datenkarte der 21.Nov. 1968 gewesen sein - im Brief steht jedoch als Zulassungsdatum der 01.07.1970 - von hier geht der Wagen an einen unbekannten Prof. in Dresden oder Umgebung. Das der Wagen tatsächlich in der DDR fuhr, belegt die einzige Rechnung, die ich habe, datiert aus 1984 von Mercedes Benz Berlin an den Reparaturbetrieb Winkler, Weißensee. Bei Winkler wurden wohl viele DDR-Mercedes repariert - Teile kamen wohl über diverse Quellen inoffiziell geduldet hinter den Vorhang.
    1988 erfolgt der Verkauf in Radebeul an den vorletzten Besitzer als W108 280S in stark reparaturdürftigem Zustand im Auftrag durch einen Kfz-Meister für 56000 Mark (Ost). Das muss damals ziemlich viel Geld gewesen sein.


    Die Innenausstattung wird davor von einem Sattler ausgetauscht worden sein. Ein Freund, der ebenfalls Autosattler ist, sagt, das sei alles sehr ordentlich gemacht, optisch am Original angelehnt. Ebenso scheint das Lenkrad gegen ein späteres gewechselt worden zu sein. Vieleicht auch der Schaltknauf. Die Restaurierung erfolgt noch in der DDR mit den bekannten Problemen. Der Dachhimmel muss getauscht werden, da der Wagen beim Schweißen hinten rechts in Brand gerät.. beim Schweißen verziehen sich Bleche, da zu viel Hitze.. Ebenso wird der 280er umlackiert, da der originale Farbton DB304 Horizontblau nicht gefällt. Neue Farbe ist DB929 Nautikblau metallic. Rostvorsoge wird mit viel Owatrol und Spritzverzinken beider neuen Kotflügel betrieben. Der Kühler wir auseinandergenommen und von einem Kühlerbauer angepasst neu gemacht. Viel Aufwand. Angeblich alleine 5000 Mark (Ost) Arbeitslohn.


    Auf einer der ersten längeren Fahrten 1989 nach Hamburg gibt es einen Motorschaden, es sind die Kolbenringe. Eine Reparatur scheint so kurz nach der Wende nicht möglich, daraufhin wird kurzerhand der Motor getauscht - auf ein vorhandenes Aggregat für Automatikschaltung späteren Baujahres, jetzt jedoch als Einspritzer. Dieser Motor ist bis heute verbaut. Es habe wohl deshalb bei der Umschreibung der Ost- in Westpapiere 1988 Probleme gegeben.


    Bis vor gut 10 Jahren wird das Auto wohl gerne und viel genutzt, Ungarn, Polen, Österrreich - alles lange Fahrten ohne große Probleme.


    Laut Datenkarte wurde der Wagen schmal ausgestattet: Stoff, blau, Einzelsitze vorne, Stahlschiebedach elektrisch, Servolenkung mit mechanischem Getriebe als Mittelschaltung, montierter Verbandskasten.


    Der letzte Halter hatte den Wagen nur kurz und so wechselte der Benz in meinen Besitz als nun vierter Halter.


    Es stellen sich folgende offene Fragen:


    1. wurde der Wagen tatsächlich vom 280SE auf S und danach zurück auf SE umgebaut?


    - gesichert ist die Auslieferung als Einspritzer mit Motor 130980-10-006992


    - im Wagen findet sich das Motorheft für 130920-12-023881 (Vergasermotor für Automatik), das ist definitiv der falsche Motor lt. Datenkarte und auch in Realität, da Handschalter. Passt aber zur Aussage des Vorbesitzers, dass der Wagen einen Vergasermotor hatte.
    - zur Zeit ist Motornummer 130980-12-067965 eingebaut - zwar auch falsch aber Einspritzer
    - am Kofferraumdeckel klebt lt. vorletztem Besitzer die originale 280S Plakette


    2. wer war der ominöse Professor in Dresden, der eine neue S-Klasse 1968/70 bestellen konnte und diese mindesten 18 Jahre benutzte? Vielleicht Manfred von Ardenne? Er fuhr bekanntermaßen gerne Mercedes und hatte D-Mark und ein offenes Devisenkonto.
    3. Läßt sich anhand der Motornummer das Baujahr des Motors rekonstruieren?
    4. was mache ich jetzt damit? So belassen oder schrittweise wieder an das Original anpassen? Horizontblau ist wirklich speziell und Nautikblau zwar schön aber nicht zeitgemäß.....und blaues Leder innen fände ich auch schick!


    Da habe ich mir ja was angeschafft :/


    Grüße aus Berlin - Christian

  • Frevel! Horizontblau umlackieren ... ts ts ts


    Ich würde ihn so lassen wie er ist, wenn er ok ist. Wenn Du sowieso lackieren mußt, dann würde ich auf die Originalfarbe gehen (weiß auch nicht, werum mir die so gefällt) :)


    Thomas


    P. S.: Professoren in Dresden kenne ich keine ... :D

  • Hi Thomas, der Horizont hat bei Dir aber auch eine ausnehmend besondere Farbe ;) - könntest Du mir ein oder zwei Bilder senden, damit ich eine Vorstellung von der Wirkung habe? Der Farbton ist ja eher speziell und wirkt nicht so seriös, speziell an einem so großen Fahrzeug.
    Christian

  • Hallo Christian,


    interessante Recherche, tolle Geschichte!


    Das mit dem Eintrag 1.7.1970 hast Du dem TÜV zu verdanken. Die schreiben alle re-importierten Fahrzeuge wider besseren Wissens immer auf den 1. Juli des Folgejahres. Auch mein nachweislich am 12.12.1969 in Frankreich erstzugelassener 280 SE hat nun den 1.7.1970 in den Papieren. Die Diskussion über die amtliche Urkundenfälschung durch den TÜV war gänzlich sinnlos (O-Ton: "Das machen wir immer so!").


    Bevor Du Dich allerdings blind in größere Projekte stürzt, solltest Du erst einmal eine realistische Bestandsaufnahme machen. Die 280er-Einspritzmotoren sind vergleichsweise teuer, weil sie eben auch in die Pagode passen. Sehe auch nicht, warum ein später M130 da in irgendeiner Weise "falsch" in Deinem 68er 108er sein sollte.


    Viel entscheidender ist der Zustand der Karosserie. Hier muss Du wissen, auf was Du Dich einlässt. Nur wenn diese wirklich überdurchschnittlich gut ist, lohnt es sich in Motor, Lack und Ausstattung zu investieren. Andernfalls eindeutig nicht, weil Du den realistischen Marktwert ganz schnell schon allein über die Teilekosten erreichst und mühelos übersteigst.


    Deshalb geh 's der Reihe nach an.


    Und was die Farbe anbelangt, so wäre das Horizontblau im Vergleich zum Nautikblaumetallic eindeutig mein Favorit.


    Viel Spaß mit Deinem 108er und berichte hier, wie sich die Sache weiter entwickelt.


    Oliver