Posts from Bernardo in thread „Wieso gehen eigentlich alle englisch sprechenden Menschen...“

    Hallo GrantV


    wenn ich lese, wie du schreibst, und sei es mit Google-Übersetzer, denke ich auch, dass dein Deutsch auf jeden Fall besser ist, als du denkst :thumbup:.


    Auch deine Frage ist interessant:

    Warum haben viele Deutsche ein Bedürfnis, so viele englische Begriffe zu verwenden? Ich bin kein Sprachwissenschaftler, daher kann ich nur Vermutungen anstellen:


    1. Im Englischen scheint man Dinge oft kürzer ausdrücken zu können als auf Deutsch. Wer sagt schon lieber „Flachbandpegelsteller“ als „Fader“ wenn man von Mixern, pardon, Mischpulten spricht? Auch „EQ“ ist kürzer als „Entzerrer“. Warum man aber, wie ich neulich sah „we are open“ statt einfach „geöffnet“ an seinen Laden schreiben muss, verstehe ich tatsächlich auch nicht.

    2. Anders als zB in Frankreich, haben hier historisch bedingt womöglich viele Menschen gewisse Hemmungen, allzu viele Begriffe einzudeutschen. Es rückt einen schnell in die Nähe sogenannter „Deutschtümler“. Es war die Sprache des hässlichen Deutschen (Krautrockbands a la Rammstein kokettieren damit und Sänger Til Lindemann mixt die überbetonte Theatersprache mit klischeehaftem „links-zwo-drei-vier-Kasernenhofdeutsch. Inzwischen meine ich, hat sich diese Wahrnehmung zum Glück ins etwas positivere geändert, sonst hätten solche Bands auch nicht solchen Erfolg gehabt. Deutsch wird wieder cooler.

    3. wenn wir schon beim Thema Unterhaltung sind: Ich glaube, man darf generell die Unterhaltungs- und Musikindustrie nicht unterschätzen. Englisch ist trotz einiger deutscher Filme und Rammsteinen und Grönemeyern nach wie vor für breiteste Massen omnipräsent. Das fängt dann schon bei Kindern an. Die grösste Filmindustrie dürften immer noch die USA haben, mit entsprechenden Auswirkungen. Und Popmusik singt sich auf Englisch einfach geschmeidiger, was nicht unbedingt bessere Texte garantiert, aber es gibt schon Gründe, weshalb sich vocalreiche Sprachen eher fürs Musische eignen als harte, konsonantenlastige Sprachen.

    4. wahrscheinlich „riecht“ daher Englisch für viele einfach nach grosser Welt, oder wenigstens nach Flughafen/International Airport.

    Es gibt im Deutschen eine Redewendung, wenn man ausdrücken will, dass etwas nichts taugt bzw minderwertig ist; dann sagt man „mit diesem oder jedem ist es nicht weit her“ - das sagt viel über das eigene Verständnis.


    Ich will es hierbei mal belassen, wobei es sich noch mehr und wahrscheinlich bessere Erklärungen gibt.

    Wo also liegt das Problem zu erwarten dass mit uns Deutsch gesprochen wird !?!?

    Aus meiner Sicht nirgends.


    Ich fühle mich ebenfalls stets etwas überrumpelt, wenn jemand in einem anderssprachigen Raum einfach voraussetzt, dass Englisch grundsätzlich Kommunikationsstandard ist. Da bin ich auch ganz bei Uli und wahrscheinlich bereits ein Dinosaurier (oder ein alter Sack ;) ) . Aber eigentlich finde ich Anstand nie unmodern und die Frage "would you mind speaking in english?" oder ähnlich darf man erwarten.


    Angeregt durch diese Diskussion frage ich mich aber trotzdem, was es eigentlich ist, das mich da ärgert.

    Deutsch ist meine Muttersprache. Ich kann mich in keiner anderen Sprache so ausdrückenwie in ihr, sie ist gewissermassen mein mentales Zuhause. Nur mit und in dieser Sprache kann ich alles denken, alles sagen und der sein, der ich bin. Das muss nicht immer von Vorteil sein, aber das führt dazu, dass ich mich in jeder anderen Sprache unterlegen fühle. Was kein Problem ist, wenn es nicht anders geht. Und im Urlaub kann das auch charmante und lustige Momente erzeugen. Aber ich begebe mich nicht gerne ohne jegliche Not, heisst wenn eigentlich alle Deutsch können, in die sprachliche Defensive und fühle mich, gerade vom omnipräsenten Englisch, sprachlich allein schon durch unsere vielen Anglizismen gegen den Strich gebürstet. Da vertrage ich dann diese Arroganz mancher, und sei sie nur unterstellt, nicht mehr gut.

    Daher ginge es mir in Stefans Fall ähnlich, es geht mir so in Restaurants, wo man alles auf Englisch bestellen muss (im deutsprachigen Raum) und es geht mir so auf Partys oder Treffen, wo dann alle wegen einem Englisch sprechen, obwohl vielleicht Sprachkenntisse des Betroffenen vorhanden wären. Mag sein, dass diese Emotion Ausdruck meiner Kleingeistigkeit ist, mag sein, dass es mir daher vielleicht gut täte mehr zu reisen, Zeit im Ausland zu verbringen und endlich besser Englisch zu lernen.

    Dann könnte ich einem Englischsprechenden das hier auch versuchen, auf Englisch zu erklären.


    Was mich aber eigentlich viel häufiger ärgert, um beim alten Sack und der Kleingeistigkeit zu bleiben ist, wenn ich von offensichtlichen Muttersprachlern, gerade in Foren aber auch häufig in Mails, Texte hingerotzt bekomme, bei denen ich all meine Phantasie und Kombinationsgabe bemühen muss, um zwischen sinnverändernden oder -entleerenden Rechtschreibfehlern und fehlender Interpunktion herauszufinden, was mir der Schreiber eigentlich mitteilen will.


    In beiden Fällen kann man sich glücklicherweise entscheiden, ob man kommunizieren will oder es einfach ignoriert.