W111 - Heulender Antriebsstrang

  • Bonjour,

    Habe inzwischen meinen 220SEb fast komplett durch restauriert. Ein Thema habe ich bisher noch nicht adressiert, welches der singende/leicht heulende Antriebsstrang ist. Beim Fahren in allen 4 Gängen gibt es dieses singende Geräusch vom Antriebsstrang, das sich bei Lasteintrag teilweise deutlich bemerkbar macht (nicht bei Fahrt mit getretener Kupplung). Das Getriebe ist bereits generalüberholt, und ich vermute, dass das Geräusch wohl vom Hinterachsgetriebe stammt. Meine Frage: Sind diese Geräusche "normal" oder sollte man sich die Hinterachse mal anschauen? Hat jemand schon mal versucht, Kegelrad und Tellerrad vom Hinterachsgetriebe neu auszurichten?:/

    Gruss

    Stephan

  • Miraaky

    Changed the title of the thread from “w111 - Heulender Antriebsstrang” to “W111 - Heulender Antriebsstrang”.
  • Hallo Stephan,


    derartige Geräusche kommen bei diesen Fahrzeugen häufig vor, mal mehr und mal weniger ausgeprägt. Ich schraube hauptberuflich an den alten Autos und ohne Not würde ich bei diesen Hinterachsen auf keinen Fall an den Winkeltrieb gehen, das habe ich nichtmal bei meinem eigenen Auto nach dem Import gemacht. Nicht, dass ich das nicht könnte oder noch nie gemacht hätte, aber die Art und Weise wie diese Arbeiten bei unseren Fahrzeugen durchzuführen sind ist einfach krank.

    Bei einem x-beliebigen Ami mit großer Achse ziehe ich die Halbachsen und entnehme den kompletten Winkeltrieb samt Diffi und kann sämtliche Arbeiten an dieser Baugruppe bequem auf der Werkbank von allen Seiten durchführen. Noch dazu kann ich das Zahnflankenspiel easy mit entsprechenden Einstellmuttern justieren und muss nicht alles -zig Mal unter Verwendung unterschiedlicher Passscheiben hin und her bauen. Es gibt wirklich schönere Arbeiten und ich würde es wegen leichter Sing/Heulgeräusche definitiv nicht machen.


    Mit freundlichen Grüßen

    Maik.

    "Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten, allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren"
    (Gottlieb Daimler)

  • Hallo Stephan,


    ich kann da meinem Vorredner voll zustimmen: diese Eingelenk-Pendelachse ist ein bisschen kniffelig. Und ich war beim Zusammenbau nur der Assistent. Das Know-How hat der Kfz-Meister, der sich seit 1990 um die Flosse kümmert.


    Die alte Achse meiner Flosse hatte, nach ca. 1,5 Millionen Kilometern Laufleistung und sehr viel Hängerbetrieb den Klonk-of-Death. Sprich, bei Lastwechseln tat es heftige Schläge. Man konnte das Geräusch auch auf der Bühne simulieren. Einfach mal zackig an einem der Hinterräder drehen. Klang wie eine Kirchenglocke, wenn man direkt daneben auf dem Turm steht. Spiel im Differential durch Verschleiß. Wobei ich regelmäßig das Getriebeöl im Diff aufgefüllt und gewechselt habe. Aber ob das auch vor meiner Zeit geschehen ist??


    Der Maestro hat dann eine gebrauchte Achse aus seinem Fundus überholt. Aufgehoben hat er in den achtziger und neunziger Jahren nur Achsen mit geringer Laufleistung. Zerlegt wurde die Achse trotzdem komplett und dann mit neuen Lagern wieder aufgebaut. Wir sind beide über sechzig. Noch mal wollen wir das nicht machen.


    Das Justieren des Winkeltriebes mit Hilfe von Tuschierpaste ist ein "bisschen" aufwendig. Ich habe mich auch bei den weiteren Montagearbeiten mehrfach gefragt, was die Ingenieure geraucht haben, als sie diese Achse konstruierten. Muss ein echt schlechtes Zeugs gewesen sein. Selbst der Einbau der Bremsbacken ist immer wieder für ein paar deftige Flüche gut.


    Auf dem alten Differentialgetriebe waren noch eingeätzte handschriftliche Zahlen und Zeichen von der Erstmontage erkennbar. Ich vermute mal, die haben sich im Werk richtig viel Mühe gegeben. Hat sich ja auch gelohnt. Aber die Überholung einer Hinterachse aus der Flossenära ist doch eher eine Strafarbeit. Spaß hat das nicht gemacht.


    Gruß

    Bernd





    PS: das alte Differential ist erst eine Weile in der Werkstatt in der Ecke gelegen, bevor ich es aufgesammelt habe. Dabei hat es dann etwas Staub angesetzt, der durch die Lesebrille betrachtet nicht auffiel. Erst das Makro-Objektiv hat ihn sichtbar gemacht.

  • Hallo an alle,


    Klar, hängt davon ab wie heftig das Geräusch ist. Aber irgendwie gehört es zu einem alten Mercedes doch dazu, oder? Hatte doch jede Taxe dies Geräusch:).


    christian

  • Hallo Stephan,


    es kann auch an den verspannten Motor/Getriebe und Kardanwellenmittellagern liegen, die im belasteten Zustand dann das Geräusch irgendwo weitergeben, man aber sehr schwer nachvollziehen kann , wo.

    Zudem ist das leidige Problem leider heute auch die Gummiquali. der gersamten Lager, das wurde hier im Forum schon zur Genüge diskutiert und m it Berechtigung angezweifelt.

    Ich kann da nur raten, das KArdanwellenmittelllager(die Befestigungsschrauben ) auf der Grube , also mit belasteten Rädern zu öffnen und dann nach Entlasten wieder zu befestigen, hat bei mir etwas gebracht..

    Ansonsten viel Erfolg bei der Suche und dem Beheben des Problems, ganz weg geht das geräusch nie, das war früher so und wird bei den alten Autos immer irgendiwe bleiben, wenn es nicht duch ´defekte Lager oder echte abgenutzte Zahnräder zustande kommt..

    Gruß

    Tobias

  • Es muss auch ganz klar unterschieden werden zwischen Geräuschen vom Winkeltrieb (jaulen/heulen/singen), oder solchen auf Grund defekter Lager, dann brummt oder dröhnt es häufig. Ist letzteres der Fall, ist ein zeitnahes Eingreifen erforderlich, sonst ist es eher ein Komfortproblem.


    Mit freundlichen Grüßen

    Maik.

    "Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten, allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren"
    (Gottlieb Daimler)

  • Hallo Bernd,

    Das Justieren des Winkeltriebes mit Hilfe von Tuschierpaste ist ein "bisschen" aufwendig. Ich habe mich auch bei den weiteren Montagearbeiten mehrfach gefragt, was die Ingenieure geraucht haben, als sie diese Achse konstruierten.


    Auf dem alten Differentialgetriebe waren noch eingeätzte handschriftliche Zahlen und Zeichen von der Erstmontage erkennbar. Ich vermute mal, die haben sich im Werk richtig viel Mühe gegeben.

    geraucht haben die Ingenieure wohl auch nicht viel andere Sachen als der Normalbürger. Toleranzüberlistung durch Justieren war (ist?) gängig im Maschinenbau. In dem Fall halt mit Passscheiben.


    Die Radsätze wurden nach dem Schleifen individuell vermessen und zusammen mit den Maßen des Differentialgehäuses wurden dann im Werk die richtigen Passscheiben ausgerechnet und eingesetzt. Tuschierpaste wurde da nicht verwendet.


    Viele Grüße,

    Hagen

    .

  • Und ich meine die Differentiale beim G werden auch so eingestellt. Da braucht man einen Tag pro Achse und dafür hält das Differential dann fast ewig.

  • Hallo Hagen,


    Danke für die Erklärungen in Sachen "Zeichen auf dem Differential". Wieder was gelernt. - Wobei das Handbuch genau erklärt, wie der Winkeltrieb mit Hilfe von Tuschierpaste justiert wird. Für Reparaturarbeiten war das wohl so vorgesehen. Ich fand's spannend, aber auch sehr zeitaufwendig und manchmal sprach die Paste nicht mit mir. War - für meine Augen - eher so eine Art Kaffeesatzlesen. Ich war froh, dass da jemand die "Bauleitung" hatte, der so was schon ein paar Mal gemacht hat. Das Ergebnis überzeugt aber und ich hoffe mal, dass Rainer Recht behält. Ewig halten muss es nicht (und wird es auch nicht), aber für den Rest meines Autofahrerlebens wäre schon schön. Falls mir nicht irgendjemand den Betrieb der Flosse verbietet. Aber das ist ein anderes Thema (und ein anderer Thread).


    Gruß Bernd

  • Vielen Dank fuer die zahlreichen Ratschlaege und Einschaetzungen. Habe letztes Wochenende nochmal genauer hingehoert und meine inzwischen, dass das Heulen eher vom Getriebe kommt. Das Getriebe hatte ich schon einmal teilweise auseinander um Dichtungen und die vier Hauptlager zu tauschen. Mir war kein besonderer Verschleiss and den Zahnraedern aufgefallen. Kennt jemand die moeglichen Ursachen von W111 Getriebeheulen?

    Gruss

    Stephan

  • Hallo Bernd,

    ... und manchmal sprach die Paste nicht mit mir. War - für meine Augen - eher so eine Art Kaffeesatzlesen. Ich war froh, dass da jemand die "Bauleitung" hatte, der so was schon ein paar Mal gemacht hat.

    da hast du Recht, ich denke wenn man das noch nie gemacht hat tut man sich schwer mit der Interpretation. Ich habe am Radsatz auch noch nie geschraubt und ich hoffe ich habe genügend Achsen rumliegen die mir bis zum Schrauberende reichen :)


    Viele Grüße,

    Hagen

    .

  • Stephan,

    stimme Dir nur teilweise zu. Bei in Fahrt getretener Kupplung dreht das Differential und auch das Getriebe weiter mit. Also liegt das Problem eher vor oder im Kupplungsbereich. Um Schwingungen aufgrund von Verspannungen im Antriebsstrang als Ursache auszuschließen, würde ich noch testen, ob sich das Geräusch auch im Schiebebetrieb ähnlich bemerkbar macht, mit oder ohne getretene Kupplung. Damit könnte man Getriebe und alles dahinter möglicherweise besser beurteilen oder sogar ausschließen.


    Viel Erfolg - Gruß - Christoph


    P.S.: Ah ich sehe gerade - Frankreich! Vielleicht kann man da ja noch Probefahrten machen, bei uns wegen Schnee und Eis und Salz nicht empfehlenswert :)

  • Wenn die heulenden Geräusche tatsächlich aus dem Getriebe kommen sollten, sind meistens nicht alle Gänge betroffen, weil derartige Klänge eher von den Zahnrädern verursacht werden und es sind schließlich nicht alle Zahnradpaare gleichzeitig kraftschlüssig. Kaputte Lager brummen oder dröhnen eher, als das Heulgeräusche auftreten.


    Ich tendiere weiter in Richtung Hinterachse, schon weil derartige Geräusche typisch für unsere Achsen sind.


    Mit freundlichen Grüßen

    Maik.

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    (Gottlieb Daimler)

  • Moin,

    Trotz der guten Ratschlaege besser meine Finger vom Hinterachsgetriebe zu lassen konnte ich doch dieses Wochenende nicht widerstehen und habe die Hinterachse ausgebaut und angefangen das Hinterachsgetriebe zu zerlegen. In meinem Werkstatthandbuch habe ich leider kein Kapitel, welches sich mit der Zerlegung von diesem Teil beschaeftigt, weshalb ich bezueglich der naechsten Schritte unsicher bin. Ich habe jetzt Zugang zu beiden Seiten des Getriebes (siehe beide Fotos). Ich vermute, dass der naechste Schritt die Demontage vom Kreuzgelenk ist. Scheint mir durch eine Schraube mittig gehalten zu werden. Eine 14ner Standardnuss passt nicht durch das Zentralloch. Sollte man sich eine 14ner Nuss abdrehen und auf eine Stange mit Hebel schweissen?

    Gruss

    Stephan

  • Hm, ein Rauschen....es könnte ein defektes Schiebestück sein, das sitzt inder rechten Wellenhälfte der Hinterachse, die zerborsten auch mal, war bei meinem W108 mal so,bekam glücklicherweise günstigen Ersatz angeboten. Aber beim Ausbau Vorsicht! Da sind lauter zylindrige Stiftlagerrollen drin.

  • Der 108 ist im WHB 108/109/113 ab 1968 enthalten. Wobei die Hinterachse quasi baugleich zu denen der Flossen ist, es gibt kleine Unterschiede in der Ausstattung (Scheibenbremse, Kühlrohr am Achsgehäuse der späten Modelle), aber nichts gravierendes.


    Mit freundlichen Grüßen

    Maik.

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    (Gottlieb Daimler)

    • Official Post

    Wie Maik schon schrieb, das Hinterachsmittelstück ist über die Baureihen W111 und W108 gleich aufgebaut. Im von mir verlinkten WHB sind die Beschreibungen detailreicher und die Bebilderungen haben eine vielfach bessere Qualität. Sorry, ich hätte es dazuschreiben sollen.


    Hier gehts zu WHB, welches Maik erwähnte:


    https://vdhflipbooks.de/books/WHB/WHB-ab-1968/#722/z

    Viele Grüsse


    Winfried


    300 SE W112 Cabrio M189 Automatik Fahrgestellnummer ...9840 Ende 1967 „Schlüpferblau-Met.“

  • Bonjour,

    Habe inzwischen das Hinterachsgetriebe zerlegt (vielen Dank fuer den Link zu den Flipbooks :thumbup:) und habe kaum einen Hinweis gefunden, welches das heulende Geraeusch erklaeren koennte:


    - So gut wie kein Verschleiss an saemtlichen Zahnraedern

    - Kein Lager macht Geraeusche

    - Zahnflanckenspiel liegt mit 0.17mm im Toleranzbereich

    -Schiebehuelse zeigt im eingebauten Zustand keine sichtbare Beschaedigung

    - Tragbild zwischen Kegelrad und Tellerrad ist tadellos zentral

    - Vor Ausbau des Kegelrades habe ich die Mutter nachgezogen (in Richtung fest) bis ich ungefaehr das spezifizierte Drehmoment erreicht habe. Ich konnte die Mutter in etwa noch eine Achtel Umdrehung nachziehen, was bedeutet, dass die beiden Kegellager nicht die volle Vorspannung hatten. Koennte es sein das die mangelnde Vorspannung zu dem Heulgeraeusch an der Hinterachse fuehren kann?


    Gruss

    Stephan

  • Da stellt sich mir allerdings die Frage, wie hoch denn das sog. „spezifizierte Drehmoment“ sein soll, mit der die Mutter nachgezogen wurde. Denn meiner Meinung nach gibt es diese Angabe im WHB gar nicht, es wird lediglich das Drehmoment angegeben, welches notwendig ist, um das Kegelrad zu drehen. Das heißt, man zieht die Mutter Stück für Stück immer fester an und prüft immer wieder mit einem Reibwerttensiometer das zur Drehung notwendige Moment. Ist es erreicht, ist die Mutter fest genug, die Kegelrollenlager haben ausreichend Vorlast. Die Angaben im WHB beziehen sich aber ausdrücklich auf neue Lager, gelaufene haben bedeutend weniger notwendiges Drehmoment. Wenn ich die Mutter bei einem gelaufenen Diff so fest ziehe, dass das Drehmoment mit der Angabe im WHB übereinstimmt, sind die Lager zu sehr vorgespannt und die Quetschhülse ist im Eimer.


    90Nm sind ein guter Richtwert zum Anzug der Mutter, wenn man beispielsweise den Simmering des Lagerschildes wechseln musste und danach die Mutter wieder montieren will.


    Ich hätte die Finger vom Diff gelassen…


    Mit freundlichen Grüßen

    Maik.

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    (Gottlieb Daimler)

  • Hallo,

    Habe heute das Kegelrad ausgebaut. Mich verwundert das Design der Stauchhuelse (Foto). Hatte eine Huelse mit Bauch erwartet und nicht ein einfaches Stueck Rohr. Gehoert das dort hin oder ist dort das falsche Teil eingebaut worden?

    Gruss

    Stephan

    Die Hülse sollte in der Tat einen Bauch haben, das sieht so nicht korrekt aus…


    Mit freundlichen Grüßen

    Maik.

    "Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten, allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren"
    (Gottlieb Daimler)