Rost, wohin das Auge blickt...Der Weg zum Selbstklempner

  • Liebe Altbenzfreunde!

    Meinen Einstand hatte ich ja vor bald vier Jahren mit einem Bericht über gut kaschierte Rostlöcher an "Bertha", unserem 77er 240D gegeben; Vorstellung und erste Ernüchterung nach Benzkauf

    Damals ging die Geschichte ja so weiter, daß der Händler erstmal ne Menge Blech an den von mir entdeckten Stellen einschweißen ließ und z.B. der Fahrersitz wieder vier Füße hatte. Aber mir und allen Lesern wird klar sein, daß das nicht das Ende vom Lied war. Bei der letzten HU mußte dann der Schweller links repariert werden. Bei der Demontage des Kotflügels stellte die von mir beauftragte Werkstatt fest, daß die Vorgänger, denen ich ja schon damals eine Karriere in der plastischen Chirurgie nahegelegt hatte, auch dort ganze Arbeit geleistet hatten: Im Radhaus hatte man löchriges Blech ersetzt, indem man ein Blech etwas halbherzig angepunktet und dann einfach umgebogen hat. Man hätte ja sonst für die "Reparatur" den Kotflügel entfernen müssen. Heuer steht die nächste HU an und ich habe mich mit dem TÜV-Prüfer mäßigen Schraubendreher an die rechte Seite gemacht. Daß da was gemacht worden war, war klar, denn die Wagenheberaufnahme fehlte. Aber das, was ich dann vorfand, möchte ich Euch einfach nicht vorenthalten, zeigt es doch, mit wieviel Sorgfalt die eine oder andere Werkstatt ihre Arbeit verrichtet. Man muß dazu sagen: Ich mache mir wenig Illusionen über den ökonomischen Wert dieses Fahrzeugs, das in weiten Teilen aus Flicken besteht. Aber es ist unser Alltagsauto und zumindest mechanisch in gutem Zustand. Weil an diesem Blechkleid ohnehin nichts mehr zu verderben ist, habe ich beschlossen, das Mobil so lange, wie möglich "über den TÜV" zu schweißen. Mal sehen, wie lange das so geht...

    Aber nun genug der Vorrede! Jetzt kommen die Bilder. Sowas dürfte nur für Neulinge interessant sein, die hartgesottenen Schrauber kennen das ja schon zur Genüge, wie zum Beispiel eine Wagenheberaufnahme aussieht, die "weg" ist :)



    Hier sieht man, was man sieht, wenn man die Scheuerleiste am Kotflügel entfernt: Sorgfältig hat die Werkstatt im Auftrag meiner Vorbesitzerin den Schweller erneuert und dabei im Sinne einer zeitwertgerechten Reparatur den unnötigen Aufwand, erst den Kotflügel zu demontieren, vermieden. Es reicht doch, wenn man das Reparaturblech schön so abschneidet, daß es unter den Kotflügel paßt. Die Schrauben waren dann "Siemens Luftschrauben". Allerdings hatten die Mannen -sicher ist sicher- den Kotflügel links unten an das geschnitzte Blech angepunktet, man ist ja vom Fach!



    Der Laie indes hat ja sowohl Zeit als auch keine Ahnung und baut deshalb den Kotflügel ab. Dafür wird er dann mit vorstehendem Anblick bestraft. Selber Schuld! Man erkennt schön sowohl das originale Schwellerblech von 1977, das die Dekorateure der Fachwerkstatt kunstvoll -immerhin bei montiertem Kotflügel! nach hinten gebogen haben und das fachmännisch eingesetzte Reparaturblech. Eher ein "Bauratsschraubendreherabweisblech" als ein Schweller. Aber den Schweller braucht eigentlich kein Mensch, wie wir später sehen werden. Schön auch die Eintrittsöffnung für Spritzwasser und Straßenschmutz auf der Oberseite. Diese ermöglicht durch Bildung eines erstklassigen Humus das frühzeitige Erkennen einer erneuten Reparaturnotwendigkeit, denn nun befindet sich spiegelbildlich darunter ein -deutlich größeres- neues Loch.



    Oldtimerei hat einfach auch romantische Seiten. Vom warmen Licht der Werkstatthandlampe angestrahlt sehen wir hier die Ruinen von Pompei, nein, die Reste der Wagenheberaufnahme. Aber mal ehrlich: Seit Reifenpannen selten geworden sind, braucht kein Mensch einen Wagenheber, zumal die wenigsten überhaupt wissen, wo der ist. Also braucht man auch keine Wagenheberaufnahme...



    Von den bisherigen Ergebnissen ermutigt, stocherte ich auch im Bereich des vermuteten Endes des Dekorationsbleches ein bißchen im Unterbodenschutz und siehe da: Eine weitere Höhle gibt den Blick auf das Innere frei.



    Interessant, was da zum Verschwinden kommt, wenn man den Unterbodenschutz entfernt. Und damit komme ich zum vorläufigen Fazit: So fährt das Auto seit etlichen Jahren, unbehelligt von den verschiedensten Bauräten herum, die Türen schließen und man sieht: Schweller werden total überbewertet, braucht kein Mensch. Ihr Kraftfahrthandwerk!

  • Erinnert mich an meine 67er Flosse, die beim Kauf 1996 die allseitig bekannte Krankheit namens "Tüffnoi" hatte, vermutlich durch die damals ganz neuartigen Nirosta-Luftbleche:



    Dabei waren Heckflossen nach knapp 30 Jahren technisch grad eingefahren, doch karosseriemäßig regelmäßig gut abgehangen.


    Und 123er haben heute MEHR als 30 Jahre auf'm Zeiger, die MÜSSEN "Luft" haben ;)

    instagram: ponton_ponton

  • ...mein 74er 450SLC hat auch nur 3 Wagenheberaufnahmen, hier hat die Werkstatt ähnlich "gearbeitet" wie bei dir, einfach ein Blech drüber. Wagenheberkonsole auch vollständig aufgelöst. Der Wagen hatte zuvor einem Bekannten gehört, der ihn bei einem Sachverständigenbüro hat prüfen lassen vor Kauf, um genau vor solchen Überraschungen gefeit zu sein. Nach 2 Jahren gabs dann keinen neuen TÜV mehr und der Wagen wurde abgemeldet, bis ich ihn dann letztendlich genommen habe, habe einen 2. 450er SLC komplett durchgeschweisst, kenne die Karosserie mittlerweile sehr gut, von daher weiss ich, was auf mich zukommt :wacko:

    Das Problem an deinem Wagen ist, dass du damit schon 4 Jahre im Alltag unterwegs bist, da wirst du einiges lernen, aber wenn man da Lust drauf hat und man die Herausforderungen annimmt, warum nicht...


    Viele Grüße Markus

  • Hallo Rolf,


    recht herzlichen Dank für die "Einblicke" in Dein Fahrzeug !


    Das "gefällt mir" gabs für den Beitrag, nicht notwendigerweise für den traurigen Inhalt.


    Schweller werden total überbewertet, braucht kein Mensch. Ihr Kraftfahrthandwerk!

    Hier in Irland gibt es vorgelagerte Inseln wo Autos ohne Tüv und Steuer unterwegs sind. Hier sind teilweise Exemplare zu bewundern wo ca. 50% des Bodenblechs fehlt und auch Schweller und Türen nur noch in Fragmenten vorhanden sind (kann man die Fensterhebermechanik ohne Abnehmen der Türverkleidung reparieren :) ). Trotzt der teilweise extrem schlechten Straßen dort (Schlagloch an Schlagloch) fallen die noch lange nicht auseinander. Diese Autos würde ich mal gerne überaktiven deutschen Tüv Prüfern zeigen die meinen eine pfenniggroße Durchrostung macht ein Fahrzeug "verkehrsunsicher".


    Viele Grüße,

    Hagen


    p.s.: das Bild mit der romantischen Seite hat durchaus künstlerischen Wert. Ich könnte mir gut vorstellen das so etwas in einer Staatsgalerie ausgestellt wird. Brauchst nur noch den richtigen Titel für das Werk. Kannst Du mir das als hochauflösende Datei schicken (ernsthaft)? Ich denke das macht sich gut als Poster in der Werkstatt.

    .

  • Also,


    da kann ich mich an einen gelben 116ner erinnern.

    Der war durch und durch faul, aber Auftrag vom Meister:

    "Mach den mal schnell fertig, damit der TÜV bekommt."

    Sollte nicht viel kosten, also Repbleche einfach "drübergebraten", Schweller, Endspitzen, Löcher in den Radhäusern, Längsträger.

    U-Schutz, beigespachtelt und teillackiert.

    Hat nicht mal ne Woche gedauert. Stand dann bei den preiswerten Gebrauchten und war nach 2 Wochen verkauft.


    Ist aber schon lange her (35 Jahre), bestimmt verjährt.


    Thorsten

  • Vielen Dank für Eure Anteilnahme!

    Noch was zum Thema Unterboden"schutz". Auch da weiß man natürlich, daß dieser vor allem vor neugierigen TÜVer- oder Käuferblicken schützen soll. Er schützt aber auch prima eingedrungenes Wasser vor dem Ablaufen oder Verdunsten, wie nachstehende Abbildung zeigt. Ich fand vorn links so eine Delle vor, die unvorschriftsmäßig aussah und drückte mal vorwitzig mit dem Lochsuchgerät a.k.a. Schraubenzieher drauf - sprüütz! kam mir die auf dem Bild unten sichtbare Pfütze entgegen. Das finde ich schon ein bißchen bemerkenswert, wie schön die schwarze Mumpe das Wasser auf dem Blech gehalten hat...

  • Moin,


    bei der Konservierung sollte man schon wissen, wo die diversen Ablauflöcher sind. Da gibt es "lustige" Geschichten zu. Un nicht nur bei der Unterbodenbitumenpampe sondern auch bei Mike Sanders und Co.


    Weiter so und

    Gruss Olof


    P.s. Grad das Foto nochmal genau angeschaut. Das ist doch das Bermuda-Dreieck vom 123, oder?

  • Aber nun genug der Vorrede! Jetzt kommen die Bilder. Sowas dürfte nur für Neulinge interessant sein, die hartgesottenen Schrauber kennen das ja schon zur Genüge, wie zum Beispiel eine Wagenheberaufnahme aussieht, die "weg" ist

    Man kann es der Wagenheberaufnahme nicht verübeln, dass sie "weg ist". Wenn ich mir den Rest anschaue, würde ich an ihrer Stelle auch nicht bleiben wollen ! :)


    Im Ernst: dieses Auto so hinzurichten ( bzw. hin zu richten), das kann man durchaus als Kunst sehen. Und Künstler verdienen, dass man sie öffentlich nennt. Und sofern man sie belobigt, darf man durchaus Namen und Wohnsitz nennen, denn das ehrt sie und bringt ihnen überregionale Bekanntheit.

    Das haben sie jedenfalls verdient.

    Carl

  • Das ist doch das Bermuda-Dreieck

    Zumindest meiner hat mindestens ein Bermuda- Achteck...


    Und Künstler verdienen, dass man sie öffentlich nennt. Und sofern man sie belobigt, darf man durchaus Namen und Wohnsitz nennen, denn das ehrt sie und bringt ihnen überregionale Bekanntheit.

    Naja. Die Vorbesitzerin hat halt fast 40 Jahre lang hartnäckig an diesem Auto festgehalten, Unsummen an Dieselhubraumstrafsteuer an den Fiskus bezahlt und eine "günstige" freie Werkstatt hat ihr Schätzchen mit diesem Pfusch jahrzehntelang mit TÜV- Plaketten versorgt. Wäre das nicht so, wäre diese Erstserie in Afrika oder auf dem Schrott gelandet. Die "Bertha" ist am 40. Geburtstag der Erstbesitzerin erstzugelassen, war ein richtiges Familienmitglied. Jetzt hab ich sie halt. Ein Auto, das viel Diesel nimmt, wenig Leistung bringt, "bloß nen 123er" ist und aus mehr oder weniger schlecht aneinandergetackerten Blechen besteht. Und viel zu teuer war. Aber ich mag es halt. Und mein Junge (5) mag die Bertha auch. Und so habe ich mir halt einen fetten Kompressor für die Druckluftwerkzeuge und das partielle Sandstrahlen, ein schönes Sortiment Blechbarbeitungswerkzeuge und ein Schweißgerät besorgt und werde den Kampf aufnehmen. Die Wirtschaft muß ja auch gefüttert werden, Corona und so. Und das schöne ist: Ich kann das Auto auch im Verkehr und bei schlechtem Wetter bewegen, ohne mir Gedanken zu machen, ob da vielleicht was dran kommt. Denn alles, was dran sein könnte, hat sie schon... :D

  • Ach einen hätte ich noch:


    Werkstattbesuch einer schönen Pagode, schicker Wagen, silber, rotes Leder.

    Der Kunde sauer, hatte seinen Wagen vor 2 Jahren komplett restaurieren lassen, sehr viel Geld reingesteckt und kam nicht mehr über den TÜV.

    Welche Werkstatt die Restaurierung ausführte, kann nicht mehr sagen (war vor ca. 35 Jahren)

    Also Fahrt in die MB- Vertretung zur Klärung.

    Auftrag vom Meister:

    "Nimm den hoch und guck Dir das mit dem Kunden an."

    Also nehme ich den Wagen hoch traue meinen Augen nicht ....


    Das Positive: Unterboden, Radläufe, Schweller Endspitzen, Quertraversen alles mit Originalteilen neu aufgebaut


    Aber danach nur oben lackiert, alle eingesetzten Bleche im "Erdgeschoß" unbehandelt gelassen, keine Dichtmasse verarbeitet

    Auf den stark verrosteten Blechen waren noch die Teileaufkleber drauf.

    Es blühte an allen Ecken und Enden, teilweise waren Bereiche wieder durch.

    Der Rost wuchs aus allen Sicken.

    Es war grauenhaft.


    TÜV gab es bei uns auch nicht.


    Der Kunde war fertig, fuhr von dannen, ich habe Wagen und Kunde nicht mehr gesehen.


    Gruß

    Thorsten

  • Ach einen hätte ich noch:


    Werkstattbesuch einer schönen Pagode, schicker Wagen, silber, rotes Leder.

    Der Kunde sauer, hatte seinen Wagen vor 2 Jahren komplett restaurieren lassen, sehr viel Geld reingesteckt und kam nicht mehr über den TÜV.

    Welche Werkstatt die Restaurierung ausführte, kann nicht mehr sagen (war vor ca. 35 Jahren)

    Ich vermute mal, die zwei Jahre zurück liegende Restaurierung galt der Inneneinrichtung und eventuell noch dem Lack.


    Warum die damit betrauten Handwerker den Wagen kein einziges Mal hochgehoben haben, ist mir ein Rätsel. Noch mehr ein Rätsel ist mir allerdings, warum der Besitzer der Pagode nicht selber auf die Idee gekommen ist.


    Ich kann längst nicht jede Arbeit, die an einem Oldtimer anfällt, selber machen. Dafür fehlt es mir als Freiberufler und als Familienmensch schlichtweg an Zeit und in vielen Bereichen auch am Know How. Aber wenn ich eine Arbeit abgebe, dann beschäftige ich mich vorher schon mal damit, wie sie ausgeführt werden müsste. Dafür gibt es genügend Quellen, aus denen ich mich schlau machen kann. Die gab es auch schon vor 35 Jahren, ohne Internet. Damals hat man noch mit anderen Menschen, die mehr Ahnung vom Thema hatten, live geredet und auf diese Weise dazu gelernt. Heute gibt es zusätzlich noch Foren, youtube-Filme und so weiter. Niemand muss dumm bleiben.

    Und ich rede mit meinem Flossen-Meister. Ich bin bei vielen Arbeiten sogar dabei, und wenn nur als Werkzeuganreicher und Beleuchter. Er freut sich, wenn ich mich für seine Arbeit interessiere.


    Um die verpfuschte Pagode tut es mir Leid. Mein Mitleid mit dem "Kunden" hält sich aber in Grenzen. Viel Interesse an seinem Fahrzeug kann er nicht gehabt haben. Sonst wäre das nicht passiert.

  • Hallo yoho90,


    ich habe die gesamte Bandbreite erlebt.


    Besitzer einer S-Klasse W126, welcher zu jedem Ölwechsel den Wagen richtig warm gefahren hat, persönlich dabei war , und immer das teure Castrolöl mitbrachte.

    Monate später die Wartung, ich habe selten einen so sauberen Zylinderkopf gesehen, nach Abnahme des Ventildeckels.


    Aber auch der Kunde, welcher mich auf dem Hof anspricht und sagt: "Seit Tagen ist da ein rotes Licht an, könnten Sie mal schauen?"

    Der Ölpeilstab war trocken!


    Und natürlich Kunden mit viel Geld und keinem Sachverstand, die auch kein Interesse an der Technik haben.


    Hatte freitags eine Übergabe Neufahrzeug 560SEC, blaumetallic, graues Leder, also Auto nochmal sauber gewaschen, gut abgeledert, Nummerschilder dran, zusätzlich Fußmatten rein, usw. Er war richtig schick, natürlich trennten mich unendliche Weiten mit meinem Lehrlingsgehalt von diesem Wagen.

    Aber ich gab mir Mühe, stellte mir den neuen Eigentümer bei Übergabe und großer erster Fahrt vor, achtete auf den Anhänger mit den Einfahrvorschriften und war mit der Sache sehr zufrieden.

    Die Übergabe erfolgte natürlich ohne mich, ich habe den Kunden nie gesehen.

    Hatte dienstags Berufsschule und am Mittwoch bekam ich den ersten Auftrag : Erste Durchsicht 560 SEC


    Komisch, war das nicht das Nummernschild/ Fahrzeug vom Freitag?

    Ja, er war es, hatte knapp 3000 km runter und sah aus, als hätte er eine Schlammrallye hinter sich gebracht.

    Die Fahrt durch den Wald, vielleicht ein Jäger, war auch innen nicht spurlos geblieben. Fahrer- und Beifahrerseite waren komplett verdreckt. Wohl mit schmutzigen Gummistiefeln gefahren, die lagen mit anderem Unrat im Kofferraum. Der Wagen stank, der Aschenbecher voll mit Kippen.


    Ich schaute nochmal auf den Auftrag: Ach ja, und innen und außen reinigen!

    Keine Ahnung, wie lange alles gedauert hat, der 8 Zylinder lief nicht mehr sauber, alle Öle gewechselt und endlos gereinigt.


    ... und natürlich unseren "Pagodenfahrer", welcher sich nur auf den Sachverstand seiner Werkstatt und seinem Geld verlassen hat.



    Gruß

    Thorsten