Radlager Hinterachse wechseln ohne Spezialwerkzeug?

  • Hallo zusammen,


    mal wieder ein HA-Radlager-Fred mit Bezug auf die Pendelachsen der Baureihen W108/109, 110/111, 112, 113. Aber dieses Mal (bitte) keine Diskussion über Kugel- oder Tonnenlager oder Sättel mit und ohne Schlagausgleich, sondern einfach nur das praktische Zur-Tat-Schreiten. Denn ich will meine Coupé-Achswellen neu abdichten und lagern.


    Natürlich ist der Wechsel der Radlager ausführlich im WHB beschrieben. Dort wird allerdings auch das Vorhandensein diverser Sonderwerkzeuge vorausgesetzt (Nutmutterschlüssel, Riesen-Abzieher). Nun bin ich kein Werkzeugmacher und möchte mir diese Dinge auch nicht für diesen einmaligen Gebrauch bauen oder kaufen.


    Im Netz findet man hier und dort Anleitungen oder Berichte von Leuten, die diese Reparatur mit "Hausmitteln" durchführten. Meist sind das aber Leute, die das schon öfter machten und daher ein Spezialwerkzeug auch mal durch Erfahrung ersetzen können. Ich erinnere mich an einen entsprechenden Pfingsttreffen-Workshop irgendwann in den 90ern, wo der Tutor dies buchstäblich am Straßenrand an seiner 110er Flosse durch-/vorführte.


    Was meint ihr, sollte man das ruhig ebenfalls versuchen, auch wenn man das noch nie gemacht hat? Ich habe jetzt nicht unbedingt zwei linke Hände, aber dennoch habe ich auch keinen Bock, aus Unwissenheit gewisser Feinheiten die evtl. nicht im WHB stehen irgendwas irreparabel zu vermurksen, 5 Simmerringe zu verbraten bis sie sitzen wo sie hingehören, oder die ganze Prozedur 3 Mal zu machen, bis es passt&dicht ist.


    Auf eure Meinungen / Erfahrungen freut sich

    Lutz

  • Hallo Lutz,

    ich habe genau das gleiche bei mir vor einem halben Jahr auch gemacht. Am Anfang war ich auch etwas unsicher, ob ich das hinbekomme aber es war gut machbar. Allerdings habe ich mir den Nutmutterschlüssel von sls-hh gekauft und mir mit Multiplex etwas gebastelt, um die Steckachsen ziehen zu können. Außerdem saßen meine Radlager extrem fest und ich habe mir noch diesen Riesenabzieher aus einem anderen Abzieher und zwei Stahlbänderm bauen müssen. Anders hätte ich die Radlager nicht runter bekommen, habe Hitze, Kältespray, usw vorher probiert. Es gibt aber ein sehr gutes YouTube Video, wo das einer komplett ohne Sonderwerkzeug durchzieht:


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    Gruß

    Alexi

  • Hi Alexi,

    danke fürs Mutmachen und den Videotipp. Ich vermute allerdings ebenfalls, dass das „Abziehen“ des Lagers darin nur deshalb so leicht klappte, weils noch nicht so lange draufsaß. Wenn das Biest fest(er) sitzt, hätte ich Bedenken, dass man sich dabei auf diese Art die Ankerplatte ruiniert.


    Habe ich nicht im WHB gelesen, dass man die rechte Achshälfte nach Remontage einmal ganz nach oben anheben muss, damit sie im Schiebestück richtig einrastet?

    Muss ich nochmal nachlesen...


    Grüße

    Lutz

  • Kleiner Nachtrag, habe es im WHB nachgelesen: dort steht eindeutig, dass man beim/nach Wiedereinbau der rechten Achswelle beide Achshälften bis zum Anschlag am Karosserieboden anheben muss. Und: dafür sollen zuvor die Anschlag-Gummipuffer am Boden entfernt werden, denn nur so wird der nötige Knickwinkel erreicht, der das Einrasten des Sprengrings am rechten Achswellenstummel hinter die Schiebehülse im Diff-Korb ermöglicht.

    (Tut man das nicht, ist die Zerstörung des Schiebestücks im Fahrbetrieb die Folge. Das steht da nicht, habe ich aber woanders im Forum mal gelesen)


    Das schreibe ich hier ergänzend hin, weil das der Kollege da im verlinkten Video nicht tut bzw. erwähnt.

  • Hallo Lutz,


    bzgl. Deiner Bedenken die Ankerplatte bei der oben gezeigten Vorgehensweise möglicherweise zu verformen / zu zerstören, möchte ich Dir aus eigener Erfahrung zustimmen:


    -> Ich habe testweise mal bei zwei Achswellen -

    eine mit der Trägerplatte/Ankerplatte in der alten, gegossenen, schweren Ausführung (früher W108) und
    eine mit der neueren, leichten "Blechträgerplatte" vom späten 108 -

    die Kugellager per "Brute Force US-Methode" abgezogen.


    "Brute Force" Methode:

    Hartholz- oder Spanplatte auf den Betonboden, Achswelle aus 50...60cm Höhe mit dem Kerbzahnende darauf fallen lassen.

    -> Das Eigengewicht der Ankerplatte drückt auf dem Kugelllagerinnenring und diesen dann schließlich von der Achswelle;

    s. z.B. hier https://www.sl113.org/wiki/DriveShaft/RearWheelBearings


    Ergebnis:


    - Mit der alten, gegossenen, schweren Ankerplatte klappte das bei meinem Versuch recht ordentlich - 3...4 mal fallen lassen und das Lager war runter; die Ankerplatte war nicht verzogen (oder gar gerissen).


    - Mit der neuen, leichteren "Blech-"Ankerplatte hingegen war das Ergebnis ernüchternd - ich musste aufgrund des geringeren Eigengewichts der Blech-Ankerplatte die Fallhöhe deutlich erhöhen und die Achswelle auch zigmal fallen lassen, bis das Lager herunter kam.

    Als Resultat zeigte die Ankerplatte zeigte nachher Verzug im Bereich der Dichtfläche zum Achsrohr.

    Ich glaube kaum, dass sich die Platte wieder "planzieht", wenn sie wieder am Achsrohr verschraubt wird..... -> Ankerplatte Schrott.


    Nach dieser Erfahrung mit der neueren Ankerplatte würde ich auch bei der alten Ankerplatte Abstand von dieser Vorgehensweise nehmen und daher in Zukunft besser immer irgendeine Art Abzieher/Trennmesser/... verwenden, sodass dafür gesorgt ist, dass die Kräfte beim Abziehen nur auf das alte, gebrauchte Kugellager wirken (und nicht auf die Ankerplatte - zumindest nicht in einer Art, bei der die Ankerplatte verbogen werden kann).


    Gruß,


    Gerd

  • PS:

    Da man typischerweise das alte Lager ohnehin nicht wiederverwenden wird, bleibt natürlich auch die zerstörende Demontage desselben.


    Was man für diese Gewaltmaßnahme braucht findet man in fast jeder Werkstatt:


    - Schraubstock mit Alubacken, um die Achswelle darin einspannen zu können

    - Kleiner 115/125mm Winkelschleifer mit dünner 1mm Trennscheibe, welche bevorzugt schon weitgehend aufgebraucht ist - also mit noch kleinerem Durchmesser

    - Hammer

    - Großer Schlitzschraubendeher (gerne mit durchgehendem Stahlkern, sodass man ordentlich mit dem Hammer draufschlagen kann)


    Das Vorgehen ist einfach - erfordert aber langsames Herantasten, um nicht versehentlich die Achswelle oder die Bremsankerplatte zu beschädigen:


    - Achswelle senktrecht im Schraubstock einspannen, mit der im Bereich des Lagers abgeflacht Stelle zu sich hin zeigend.

    - Kugellageraussenring durch zwei schräge Schnitte in zwei Hälften zerlegen, danach Rollenkäfig ebenfalls in zwei Hälften zerlegen.

    - Nun den Lagerinnenring im Bereich der Abflachung der Achswelle mit zwei über Kreuz liegenden, schrägen Schnitten so tief wie möglich "anschneiden".
    Vorsichtig vorgehen um Achswelle nicht zu erwischen!

    - Das enstandene obere Dreieck mit Schraubendreher & Hammer rausschlagen.

    - Danach kann man den Schraubendreher nun prima ansetzen, um den Innenring zu sprengen - er ist geknackt, wenn er sich nach dem Schlag plötzlich ein wenig verdreht hat.

    - Mit Schraubendreher und Hammer läßt sich der gesprengte Ring nun relativ leicht von der Achswelle treiben.


  • Hallo ,


    ich bin ja gerade dran für meinen Ponton die lange Hinterachse fertig zu machen .(3,7)


    Ich habe jetzt 5 Hinterachsen zerlegt . Ich habe aber dieses Lager immer gut rausbekommen .

    (Es waren keine Tonnenlager verbaut nur normale Rillenkugelagern)


    Lager warm gemacht und mit einem Messingstab durch die Bremsträgerplatte an der öffnung für den Radbremszylinder ausgetrieben. Ging 10 mal gut .

    Auch die Mutter ohne Probleme (und ohne Sonderwerkzeug) nur die Sicherungsscheibe sieht recht schlecht aus wenn man sie aufbiegt.


    Gruß

    Yves

  • Hallo Yves,


    das ist auch eine gute Idee - schaue ich mir beim nächsten Lager mal an.


    ...könnte bei Fahrzeugen mit Scheibenbremse allerdings schwierig werden eine ausreichend grosse Öffnung in der Bremsankerplatte zu finden, befürchte ich.


    Gruß,


    Gerd

  • Hallo,


    hier noch zwei Bilder zu den Unterschieden der frühen & späten Ausführung der Bremsankerplatten beim W108.


    Beide lassen sich bei scheibengebremster Hinterachse verwenden - die Ausführung aus tiefgezogenem Blech dürfte im wesentlichen aus Gewichts- & Kostenspargründen eingeführt worden sein, denke ich.

    Die alte Version wiegt ca. 1300g, die Neue nur 650g.


    Frühe Guss-Ausführung links im Bild, späte Blechversion rechts.


     


    Gruß,


    Gerd